Am Tor zu Atlantis
aus dem alten Griechenland. Man konnte von weisen Gesichtern sprechen, und sie alle schauten den Betrachter nicht an, sondern über ihn hinweg. Das konnte man als normal ansehen, da die Gestalten auch größer waren, aber mich irritierte schon der Ausdruck in den Augen, der geblieben war. Da hatte auch die lange Zeit nicht viel verändert. Die Fresken waren gut konserviert worden.
Die Figuren schauten alle in eine unbestimmte Ferne. Sie schienen kein Ziel zu sehen oder aber ein Ziel, das den Menschen verborgen blieb. So schaute jemand, der etwas wusste und sehr nachdenklich war, sein Wissen jedoch nicht preisgab.
Ich drehte mich um. An der anderen Seite betrachteten Suko und Purdy die alten Bemalungen. Auch sie zeigten sich leicht irritiert und hoben die Schultern.
»Was habt ihr?«
Purdy meinte fragend: »Sahen so die alten Ägypter aus, John?«
»Ich habe noch keinen von ihnen kennen gelernt.«
»Ach, hör auf!«
»Du hast Recht. Diese Menschen, die wir hier sehen, erinnern mich an etwas anderes.«
»An die Bewohner von Atlantis.« Sie nahm mir das Wort aus dem Mund und hatte zudem sehr ehrfurchtsvoll gesprochen.
»Kann man so stehen lassen. Du kennst sie ja, Purdy, und...«
»Sag nicht so etwas. Ich habe dort gelebt, aber ich bin keine von ihnen gewesen. Mich hat es mehr in die Wildnis verschlagen und nicht in den Schutz der Städte.«
»Warum hat man die Wände so bemalt?«, fragte Suko. »Was wollte man damit ausdrücken? Ich denke, ich weiß es. Die Ägypter hier waren von ihren Besuchern fasziniert und hofften darauf, dass sie wieder zurückkehren würden. Deshalb hat man ihnen diesen Tempel gebaut. Und ich gehe davon aus, dass es rund zehntausend Jahre zurückliegt. Da gab es eine Verbindung zwischen Atlantis und Ägypten. Da ist etwas ausgetauscht worden, da hat jemand von einem anderen Volk gelernt und dieses Wissen weitergegeben, bis Menschen hier einen Tempel zur Erinnerung bauten. Ist das nicht gut gefolgert?«
»Brav!«, lobte ich Suko. »Da hast du fast den Nagel auf den Kopf getroffen, wirklich.«
»Warum nur fast?«
»Weil dieser Tempel mehr ist als nur ein Erinnerungsbau. So denke ich. Jemand hat hier irgendwo in seinem Innern ein Tor geschaffen, das den Weg in die Vergangenheit öffnet. Ich bin kein Hellseher. Ich weiß auch nicht, wo dieses Tor liegt. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir es am Ende des Ganges finden.«
Purdy Prentiss stellte eine Frage. »Glaubt ihr denn, dass es hier nur diesen einen Gang gibt? Bei dieser Größe des Tempels? Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum hätte man ihn dann so groß bauen sollen?«
»Denkst du an geheime Gänge?«, fragte ich.
»Auch.«
»Wenn es sie gibt, werden wir sie hoffentlich finden. Aber jetzt möchte ich den Gang hier weitergehen und sein Ende erreichen. Es kann ja sein, dass wir dort das Tor finden.«
Meine beiden Begleiter hatten nichts dagegen einzuwenden. Wir blieben an den verschiedenen Seiten und leuchteten auch die Wände ab. Bisher hatten wir die Fresken betrachtet, doch dann zeigten die Wände keine Bemalungen mehr. Sie waren kahl.
Unter unseren Füßen lag eine dicke Staubschicht. Wir hatten auch gesehen, dass sich andere Spuren darin abmalten. Demnach war der Tempel betreten worden, und wir mussten nicht lange raten, von wem.
Je weiter wir vordrangen, desto mehr veränderte sich die Luft. Sie wurde schlechter. Wer schon mal in einer Pyramide gewesen ist, kann das nachvollziehen, denn dort sind die Gänge nicht nur eng, sondern auch oft von einer schwülen und feuchten Luft gefüllt.
Hier war die Luft besser, aber nicht mehr so trocken wie zuvor, so als würden die gewaltigen Quader, aus denen die Wände bestanden, regelrecht schwitzen.
Die Wände blieben nicht blank. Wieder sahen wir Bemalungen, doch diesmal bekamen wir noch größere Augen.
Denn die Bemalungen zeigten keine Menschen, dafür aber Fabelwesen, die uns nicht fremd waren, da wir den alten Kontinent schon öfter besucht hatten.
Wir sahen die Flugdrachen, und auch schwarze Rochen waren gezeichnet worden. Ich wusste es besser, denn bei ihnen handelte es sich um Vampire, die ich ebenfalls kannte. Damals hatten sie auf das Kommando des kleinen Magiers Myxin gehört, aber heute war das anders.
Suko sprach mich darauf an. Ich nickte nur und setzte meinen Weg fort. Den Arm mit der Lampe hielt ich vorgestreckt und dabei nach rechts gedreht, damit der Lichtkegel über die Wand gleiten konnte.
In mein Blickfeld geriet der Rand einer dunklen und
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