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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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dann musst du mit dieser Wirklichkeit fertig werden.
    Wann immer wir eine Stadt erreichten, suchten wir die verschiedenen religiösen Einrichtungen auf und baten um einen einfachen Schlafplatz und etwas zu essen. Wie man sich denken kann, gibt es zwischen New York und Denver nicht allzu viele buddhistische Einrichtungen, also klopften wir an die Türen jedweder religiösen Einrichtung, die wir vorfanden – wir gaben ihnen allen die Möglichkeit, ihrer spirituellen Überzeugung gemäß zu leben. Wir machten keinen Unterschied. Wir sagten nicht: »O nein, hier nicht – nur dort.« Wir klopften überall. Wir baten um eine einfache Übernachtungsmöglichkeit und ein einfaches Mahl, und wenn man uns überall abwies, schliefen wir eben draußen und hatten nichts zu essen. »Ist das vorgekommen?«, werde ich häufig gefragt. Die Antwort lautet: »Natürlich, aber es geschah nicht so oft, wie ich gedacht hatte, und es geschah nicht dort, wo ich damit gerechnet hatte.«
    Ohio erwies sich als der schwierigste Bundesstaat auf unserer Wanderung. Während der gesamten Zeit, die wir benötigten, um den Staat zu durchqueren, öffneten nur vier Kirchen ihre Türen für uns. Doch Ohio war nicht der einzige Bundesstaat, in dem wir häufig abgewiesen wurden. In einer Stadt in Pennsylvania wurden wir an jeder Kirche abgewiesen, und zwar inmitten eines eisigen Regensturms, der sich in ein Schneetreiben verwandelte. Wir endeten schließlich in einem Schweinestall auf einem Ausstellungsgelände. Und dies entpuppte sich als eine der wunderbarsten Nächte, die wir erlebten. Ich war so dankbar für den Unterschlupf. Zum Glück mussten wir uns den Stall nicht mit den Schweinen teilen – sie waren bereits alle fort. Es war zudem eine sehr wichtige Nacht für uns, denn bis zu jenem Tag hatten wir fortwährend Kost und Logis erhalten, und die Mitglieder der Pilgergruppe begannen die Gaben für selbstverständlich zu nehmen. Als uns nun jedoch alle abwiesen, geriet die Gruppe in Panik, und dann keimte das Leiden. Empörung, rechtschaffene Empörung, wallte auf. Und dann übertrug sich das Leiden in der Gruppe, und wir begannen zu debattieren und zu streiten und wurden verdrossen, in uns gekehrt, gereizt. Doch durch diesen Prozess lernten wir, wie wichtig es ist, nicht das Geringste für selbstverständlich zu nehmen.
    In den Unterweisungen des Buddha erfahren wir eine Menge über das Thema Anhaftung – Anhaftung an Dinge, Anhaftung an Ideen und das Loslassen von Anhaftungen. Die Pilgerreise bot uns tagtäglich Gelegenheit, uns diese Lehren zu vergegenwärtigen. Schon allein die Wirklichkeit des Gehens bot uns dazu reichlich Gelegenheit. Wir wanderten bei Temperaturen unter dem Nullpunkt, so dass das Wasser in unseren Trinkflaschen gefror. Ich trug ein Glas Arnika bei mir, eine Kräutertinktur gegen Verstauchungen, und sie gerann zu einer Paste. Wir durchwanderten die Wüsten Nevadas bei Temperaturen von über vierzig Grad. Doch interessanterweise legten wir unter den extremsten Bedingungen die längsten Strecken zurück. In der Wüste wanderten wir oft nahezu fünfzig Kilometer am Tag. Und wir taten es mit Freude.
    Wir legten fast fünf Kilometer in fünfzig Minuten zurück. Das ist ein ziemlich flottes Tempo, besonders wenn man Gepäck trägt und von zweitausend auf über dreitausend Meter steigt. Schon allein das Tempo bot uns Gelegenheit, uns unseres Atems intensiv bewusst zu sein, denn natürlich spürten wir, dass wir atmeten. Es war schwer. Das Tempo brachte uns in Berührung mit unserem Atem, mit unserem Widerstand, mit unseren Anhaftungen, mit unseren Grenzen. Wenn Sie denken, Sie hegen keine Anhaftungen oder Erwartungen – schließen sie sich einer Pilgerreise an, dann wird Sie die Erfahrung rasch eines Besseren belehren.
    Die körperlichen Anforderungen des Marsches waren nicht der einzige Aspekt, der uns mit dem Leiden in Berührung brachte. Eines Tages erreichten wir einen kleinen Ort in Colorado mit etwa achtzig Einwohnern und einer Kirche. Wiebke klopfte an das Kirchenportal; sie wollte um einen Schlafplatz und etwas zu essen bitten. Wir ahnten nicht, dass wir dem Pastor der Kirche bereits begegnet waren. Es war in dem kleinen Laden an der Tankstelle gewesen, den wir aufgesucht hatten, als wir in den Ort kamen und überlegten, wohin wir uns als Nächstes wenden sollten. Als Wiebke also an

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