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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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die Menschen zu erwachen, ihr Leben auf andere Weise zu leben. Das ist sozial engagiertes Handeln. Auch Jesus war ein Aktivist. Darum ging es in seinen Lehren: spirituelle Prinzipien an andere weiterzugeben, die sie sich zu Eigen machten. Das ist soziales Engagement in seiner reinsten Form. Es gibt viele Arten, wie wir uns sozial engagieren können – beispielsweise indem wir eine Suppenküche einrichten oder in einem Aids-Hospiz arbeiten –, und ich persönlich bin froh, helfen zu können, auf welche Weise es auch immer mir möglich ist. Und dennoch liegt die wirkungsvollste Form sozialen Engagements für mich immer noch darin, die Lehren Buddhas zu verkörpern und sie weiterzutragen, sie Menschen als Werkzeug zu geben, das sie nutzen können, um spirituelle Prinzipien in ihr Alltagsleben einzubringen.
    Ich bin schon oft gefragt worden: »Warum gehst du? Was ist dein Ziel?« Und ich antworte, indem ich sage: »Ich gehe, um zu gehen.« Die Menschen finden es schwierig, das zu begreifen. Es ergibt keinen Sinn; es erfüllt keinen Zweck; es erscheint selbstsüchtig. Doch die Essenz der Praxis, wie ich sie begreife, liegt darin, zu gehen, um zu gehen. Wenn ich eine Absicht verfolge, dann kann das Unbekannte nicht mein Lehrer sein, dann kann ich nicht wahrhaftig im gegenwärtigen Augenblick sein. Wenn ich damit beschäftigt bin, mein Ziel zu erreichen, dann kann ich all den Reichtum, den das Leben mir im gegenwärtigen Augenblick bietet, nicht sehen; ich bin nicht da. Ich habe mich auf die Pilgerreise von Auschwitz nach Hiroshima gemacht, um Frieden zu üben, um Frieden zu sein, aber ich bin nicht eigens um des Friedens willen gegangen. Wenn ich eine vorgefasste Meinung vom Wesen des Friedens habe, dann bin ich vielleicht niemals in der Lage, daran teilzuhaben. Frieden ist keine Idee, Frieden ist keine politische Bewegung, weder eine Theorie noch ein Dogma. Frieden ist eine Lebensweise: achtsam im gegenwärtigen Augenblick zu leben, zu atmen, jeden Atemzug zu genießen. Frieden erwächst, Frieden ist etwas, das in jedem Augenblick neu entsteht.
    Wenn ich auf Pilgerschaft bin, begegne ich unterwegs Menschen. Ich rede mit ihnen. Ein Thema, über das ich mit ihnen rede, ist Heilung und die Tatsache, dass diese mit uns selbst beginnt. Und wenn wir selbst heil werden, manifestiert sich die Heilung allmählich in der Familie, in der Gemeinschaft. Sie setzt sich fort wie die Kreise, die du auf der Wasseroberfläche erzeugst, wenn du einen Stein in einen See wirfst. Das erfuhr ich am eigenen Leib. Die Kreise der einen Pilgerreise führten alsbald zu einer weiteren.
    In Amerika tut man so was nicht
    Nach der Pilgerreise von Polen nach Vietnam wollte ich eine weitere in Afrika unternehmen. Als ich über diese neue Pilgerreise zu sprechen begann, wurde mir plötzlich etwas ganz klar: Ich war nie in Amerika gewandert. Ich musste in meinem Heimatland auf Pilgerschaft gehen. Ich wandte mich an Bernard Tetsugen Glassman Roshi und sagte: »Weißt du, ich spiele mit dem Gedanken, eines Tages, irgendwann, vielleicht einmal Amerika zu durchwandern. Ich weiß noch nicht so genau.« Dann verschwand ich.
    Als ich drei Wochen später zurückkehrte, begrüßten mich verschiedene Mönche mit den Worten: »AnShin, welch eine wunderbare Idee von dir. Das ist ja unglaublich.« Und ich sagte: »Was? Wovon redet ihr?« Sie antworteten: »Die Pilgerreise, die du vorhast.« So verwandelte ich mich im Kopf des Menschen, der mich ordiniert hatte, von der zaudernden Person mit einer vagen Idee zu der Person, die einen Plan in die Tat umsetzte. Anfangs war ich ärgerlich, weil ich meine Entscheidung doch noch gar nicht getroffen hatte, doch indem ich diesen Ärger nicht ausagierte, war ich in der Lage zu erkennen, dass dies der Anstoß war, der mir gefehlt hatte. Also traf ich meine Entscheidung. Ich würde mir einen Rucksack aufsetzen und losmarschieren. Quer durch die Vereinigten Staaten.
    Wir starteten in Yonkers im Bundesstaat New York am 1. März 1998 und erreichten Albany in Kalifornien am 28. Juli. Wir wanderten die Route 9 entlang, das heißt den Broadway von Yonkers bis zur 178. Straße und dort über die George Washington Bridge. Bis zur 178. Straße hatten wir eine Menge Gesellschaft. Und auch noch, als wir begannen, über die Brücke zu gehen. Doch als wir uns dem Scheitelpunkt der Brücke näherten, waren alle anderen fort. Nur

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