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Am Tor Zur Hoelle

Am Tor Zur Hoelle

Titel: Am Tor Zur Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claude Anshin Thomas
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Trauma können transformiert werden
    Meine Erfahrungen, die ich in der spirituellen Gemeinschaft in Frankreich, auf der Straße, in Kriegsgebieten, bei vielen Retreats und auf meinen Pilgerreisen gesammelt habe, zeigen mir, dass die negativen Erfahrungen von Krieg und Trauma durch die beständige Verpflichtung, in der Wirklichkeit des Lebens zu leben, transformiert werden können. Ich stelle fest, dass diese Erfahrungen in positivere Erfahrungen verwandelt werden können. Das Leben kann anders sein. Wenngleich ich besondere Gelübde abgelegt habe, mein Leben diesem Zweck zu widmen, bin ich kein besonderer Mensch. Jeder und jede von uns kann diese Transformation erleben.
    Es erfordert allerdings, eine innere Verpflichtung einzugehen – eine beständige innere Verpflichtung. In meinem Fall war die Verpflichtung darauf gerichtet, mein Leben anders leben zu wollen, den Wandel zu wollen. Und es erfordert die Bereitschaft, alles zu tun, um anders zu leben: Ich will nicht töten, ich will nicht, dass mein Sohn tötet, ich will, dass die Gewalt ein Ende nimmt, und dennoch kann ich dieses nicht predigen – ich kann es nur vorleben. Es gibt so viele Traumata und so viel Traurigkeit in der Welt, so viel Leiden. Ich muss willens sein, mir das anzusehen, und begreifen, dass ich verantwortlich bin – dass ich zu diesem Kreislauf beitrage. Durch meine Praxis kann ich erkennen, auf welche Weise ich dazu beitrage, und damit aufhören. Und ich will aufhören, dazu beizutragen. Also suche ich nach Wegen, das zu bewerkstelligen.
    Das ist kein Prozess, der sich über Nacht vollzieht. Ich kann nicht in einer Minute oder in zwei Minuten oder in drei Minuten oder in einem Tag oder einem Jahr lernen, wie ich das Leiden beenden kann, obwohl in den buddhistischen Unterweisungen steht, dass auch dies möglich ist. Plötzliche Erleuchtung wird das genannt. Meiner Erfahrung nach ist es ein eher gradueller Prozess, ein Lernprozess. Lernen durch meine Fehler, durch mein Menschsein. Wichtig und von der Praxis befördert ist die Erkenntnis, dass das Erwachen, das Heilen, kein intellektueller Vorgang ist. Es ist nichts Analytisches. Es ist nichts, das ich mit meinem denkenden Selbst erfassen kann; es gibt kein Buch darüber. Auch nicht dieses. Ich muss mich selbst voll ins Leben hineinbegeben. Ich muss tief in meine Natur blicken, um zu meinem Leiden zu erwachen, meinem Schmerz, um die Natur meiner Erfahrungen aufdecken und erkennen zu können.
    Solange ich mich der Erkenntnis nicht stelle, wie tiefgreifend sich der Krieg auf mich ausgewirkt hat, solange ich die Erfahrungen, die ich gemacht habe, nicht berühre, werde ich nicht in der Lage sein, sie zu transformieren – werde ich nicht in der Lage sein, die andere Seite zu sehen und Frieden zu finden. Doch wenn ich diese Erfahrungen einer tiefen Betrachtung unterziehe, dann kann ich sehen, dass Freude die andere Seite des Leidens ist, dass Liebe die andere Seite des Hasses ist. Ich kann auf die andere Seite hinübergelangen, ich kann in einer anderen Beziehung mit meinem Leiden leben.
    Wenn ich mein Leiden vermeiden muss, um Glück zu erleben, dann ist das kein wahres Glück. Es ist nicht möglich, wahrhaft glücklich zu sein, ohne unser Leiden zu berühren, ohne ihm zu erlauben, in unserem Leben gegenwärtig zu sein. Ich muss lernen, wie ich es behutsam halten kann, wie ich es hegen und trösten kann, als wäre es ein kleines Kind. Und indem wir das Leiden in unserem Leben willkommen heißen, erwächst daraus Freude. Das kann jetzt geschehen; diese Art Transformation kann gleich jetzt geschehen. Wenn ich tief in die Natur meines Leidens blicke, voller Achtsamkeit hineinatme, es in meinem Leben willkommen heiße, es mit anderen in meiner Umgebung teile, dann besteht die Möglichkeit der Transformation.
    Diese Transformation ist wichtig, weil ich Verantwortung dafür trage, für den Vietnam-Veteranen, der ich bin, zu leben und zu heilen. Ich trage Verantwortung dafür, den Kreislauf des Leidens in mir selbst nicht länger fortzuführen. Wir tragen Verantwortung dafür zu heilen, damit der Tod all derjenigen, die je in irgendeinem Krieg gestorben sind, nicht vergeblich war. Denn durch ihren Tod erlangen wir die Verantwortung, zu lernen und klar zu erkennen, dass Krieg und Gewalt in jedweder Form niemals eine Lösung sind. Dass Krieg und Gewalt in jedweder Form nicht zu Frieden führen. Der Tod der anderen

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