Am Tor Zur Hoelle
trägt also in dieser Hinsicht zu unserer Heilung bei. Wenn der Krieg hier, in uns, ein Ende findet, findet Krieg ein Ende. Wenn ein jeder den Krieg in sich beendet, gibt es keine Saat mehr, aus der Krieg erwachsen könnte.
Als ich Thich Nhat Hanh das erste Mal sprechen hörte, dachte ich, ich müsse mich gleich jetzt, in diesem Augenblick transformieren. Wenn ich nicht im Verlauf eines einwöchigen Retreats Abfall in Rosen verwandelte, wäre ich ein kompletter Versager. In einem Gespräch sagte Thich Nhat Hanh zu mir: »Du hast den Prozess der Transformation begonnen. Es lässt sich nicht sagen, wie lange es dauern wird, aber du musst fortfahren, der Saat des Kummers und der Saat des Leidens mit deiner ganzen Achtsamkeit zu begegnen, tief in die Natur deines Selbst hineinzublicken und bereit zu sein, die ganze Saat, die in dir und in jeder und jedem Einzelnen von uns ist, aufrichtig zu betrachten.«
Der Prozess des Erwachens vollzieht sich nicht an einem Tag oder in zwei Jahren. Er kann lange Zeit dauern. Während dieses Prozesses muss ich mir die Handlungen vergeben, die ich in Unachtsamkeit begehe; ich muss liebevoll mit mir umgehen, ohne faul oder nachlässig zu sein; ich muss diszipliniert und entschieden mit mir umgehen. Ich muss mich dem Akt des Erwachens verschreiben. Wenn ich aus dem Leiden heraus handele, muss ich in der Lage sein, mir dafür zu vergeben, doch ich muss ebenso entschlossen sein, es nicht zu wiederholen.
Die Gesellschaft und die Kultur, in der ich lebe, haben mich gelehrt, dass Heilung die Abwesenheit von Schmerz ist, aber ich bin zu der Ãberzeugung gelangt, dass Heilung nicht die Abwesenheit von Schmerz und Leiden ist. Heilung heiÃt, in Einklang mit unserem Schmerz und unserem Leiden zu leben, so dass wir nicht davon beherrscht werden. Der einzige Weg, wie ich meine Wunden heilen kann, der einzige Weg, wie ich erwachen kann, liegt darin, in Achtsamkeit im gegenwärtigen Augenblick zu leben, einzuatmen und auszuatmen. Jedes Mal, wenn ich mit meiner Angst in Berührung gerate, muss ich als Erstes lernen, eine offene Beziehung zu meiner Angst herzustellen; ich darf ihr weder anhaften noch sie zurückweisen, und dann muss ich nachsehen, was hinter dieser Angst liegt. Es ist, als ob ich Steine umdrehe. Ich muss Steine umdrehen, bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, und ich muss immer gründlicher hinsehen.
Es gibt keine Heilung ohne Verletzbarkeit, das ist unmöglich. Für diese Realität müssen wir offen sein; wir dürfen nicht vor ihr davonlaufen. Wir erkunden die Natur unseres Leidens, indem wir direkt ins Leben hineingehen, uns auf das Unbekannte einlassen; indem wir uns mit jedem Schritt herausfordern, und zwar nicht ohne Mitgefühl; indem wir uns wirklich vorwagen und bereit sind, Fehler zu machen. So erkunden wir die Natur unseres Leidens.
Von den Folgen des Krieges zu genesen heiÃt nicht, dass plötzlich alles in Ordnung sei. In einem Buch, das ich vor einiger Zeit gelesen habe,
Achilles in Vietnam: Combat Trauma and the Undoing of Character
, schreibt Dr. Jonathan Shay, ein Psychiater, dass Heilung von einem Trauma die Kommunalisierung dieses Traumas erfordert â das Mitteilen. Es einer Gemeinschaft mitzuteilen, bei der wir darauf vertrauen können, dass sie zuhört, uns trägt und die Geschichte auf eine ehrliche Weise wiedererzählt.
Als ich anfangs unter meinem Kriegstrauma litt, wusste ich nicht, dass ich meine Geschichte erzählen musste, dass ich über meine Erfahrungen sprechen musste, dass ich darüber reden und reden und reden musste. Dazu wurde ich nicht ermutigt. Das Bedürfnis, darüber zu sprechen, ist wahr, und es ist wahr für alle, die jemals ein Trauma erlitten haben, und wir alle haben Traumata dieser oder jener Art erfahren. Oft höre ich Menschen sagen: »Oh, über diese Dinge aus meinem Leben könnte ich nie sprechen. Was würden denn die Leute von mir halten?« Ich vermute, dass diese Menschen im Netz der Scham und Schuld gefangen sind. Wir mögen glauben, dass eine gewisse Sicherheit darin liegt, Dinge verborgen zu halten, doch den ganzen Schmerz für uns zu behalten, führt nicht zu Heilung, sondern nährt Missbrauch, den Missbrauch unserer selbst und aller fühlenden Wesen um uns herum.
Wir sind zum GroÃteil von unserer Gesellschaft und unserer Kultur konditioniert, nicht zu reden. Doch wenn wir nicht reden, wenn wir keine Sprache erschaffen, um unsere
Weitere Kostenlose Bücher