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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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zusammen sein und gedachten, die Zeit so lange wie möglich auszunutzen.
    Der Erste Maat schenkte ihnen keine Beachtung, war längst dabei, seine Matrosen anzutreiben: »Segel setzen!«, rief er durch sein Sprachrohr, als sie das offene Meer erreichten. »Los, in die Wanten mit euch, ihr Faulpelze!«
    Staunend verfolgten Molly und Bryan, wie die Männer an den schwankenden Masten emporenterten. Wie Artisten kletterten sie in den Wanten herum, vier oder fünf Stockwerke über dem Deck, und lösten die Lederriemen, mit denen die Segel an den Rahen befestigt waren. Krachend und klatschend entfaltete sich die schmutzig-weiße Leinwand. Die Segel füllten sich mit Wind und trugen die
Elizabeth
, eine dreimastige Brigg, auf den Ozean hinaus.
    Jetzt gab es kein Zurück mehr, dachte Molly. Der Bug des prächtigen Segelschiffes zeigte nach Westen und sie waren endlich nach Amerika unterwegs. Nach einer langen Leidenszeit hatte sich der Herrgott endlich ihrer erbarmt. Er schenkte ihnen einen kräftigen Nordostwind, der die Segel bis zum Bersten füllte und die
Elizabeth
scheinbar ungeduldig über das erstaunlich ruhige Wasser trieb, dem Atlantik und der fernen Küste von Amerika entgegen. Wenn er so stark blieb und weiter aus östlicher Richtung blies, würden sie vielleicht nur vierzig Tage statt der veranschlagten zwei Monate brauchen.
    »Amerika, wir kommen!«, rief Molly mit wehenden Haaren.
    Als sich einige Matrosen in ihrer Nähe zu schaffen machten, wurde der Erste Maat auf sie aufmerksam. »Was sucht ihr denn noch hier?«, fuhr er sie an. »Seht ihr denn nicht, dass ihr im Weg steht? Verzieht euch gefälligst!«
    »Aye, Sir!«, antwortete Bryan frech.
    Molly stieg über einen der Niedergänge ins Zwischendeck hinab. Von ihrer hoffnungsvollen Zuversicht, die sie an der frischen Luft und im Angesicht des scheinbar grenzenlosen Ozeans gefühlt hatte, war in den billigen Quartieren des Schiffes nicht mehr viel zu spüren. Düsteres Zwielicht, nur unterbrochen vom flackernden Schein vereinzelter Laternen, die an den niedrigen Querbalken hingen, empfing sie in dem lang gestreckten Raum. Zu beiden Seiten des Mittelgangs, der zur Hälfte von einem langen, im Boden verankerten Holztisch eingenommen wurde, erstreckten sich notdürftig zusammengezimmerte Stockbetten, nur die Hälfte mit schlampig gefüllten Strohsäcken und so eng beieinander, dass einem kaum Luft zum Atmen blieb. Ein Ziegelofen verbreitete dürftige Wärme, daneben lag ein Holzstapel, der höchstens für zwei Wochen reichen würde, wenn sie das Feuer durchgehend brennen ließen.
    Sie drängte sich an anderen Passagierinnen vorbei zu ihrer Mutter und Schwester, die ihr eine Koje freigehalten hatten, und ließ ihren Leinenbeutel mit Schinken, Käse und Wurst aus Bryans Vorrat auf den Strohsack fallen. Mit den Vorräten, die Fanny noch in ihrem Beutel hatte, waren sie eine willkommene Ergänzung zu der kargen Verpflegung, die sie an Bord erwartete, hauptsächlich Haferbrei, Reis und harte Biskuits, dazu dünner Tee mit Zucker oder Melasse. Die Rationen für den ersten Tag lagen bereits neben dem Ofen, denn anders als in den Kabinen der oberen Klassen waren die Passagiere im Zwischendeck angehalten, ihre Speisen selbst zuzubereiten.
    Auch wenn die Bedingungen unter Deck alles andere als erfreulich waren und die meisten Frauen nicht einmal aufrecht stehen konnten, hatte Molly während der ersten paar Tage keinen Grund zur Klage. Wenn man die Biskuits in heißen Tee tauchte und mit Schinken oder Käse belegte, waren sie gar nicht so übel und auch der Haferbrei, der ungesüßt noch schlechter schmeckte als im Arbeitshaus, war mit Zucker oder Melasse einigermaßen zu ertragen. Die See war so ruhig, dass kaum eine der Frauen seekrank wurde, und der Wind blies so stetig, dass sie rasch vorankamen. Sogar der Erste Maat, meist ein sehr mürrischer Mensch, wie es schien, taute etwas auf und verlor nicht gleich die Beherrschung, wenn viele Passagiere an Deck waren.
    Molly und Bryan trafen sich jeden Morgen am Bug des Schiffes und genossen die frische und salzhaltige Luft, ein wahres Lebenselixier, wie sie es in der alten Heimat und vor allem im Arbeitshaus niemals erlebt hatten. Dort roch es nach Krankheit und Tod, ein beißender Gestank, der immer noch in ihren Nasen hing und sich nur allmählich verflüchtigte. Die Meeresluft wirkte wahre Wunder, reinigte ihre Körper und Seelen und ließ sie voller Hoffnung am Bug stehen und in die Ferne blicken. Am Horizont verschwamm

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