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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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der Vater verlassen hatte, mussten wir die ganze Arbeit auf der Farm allein machen. Dafür war sie zu schwach. Sie braucht kräftiges Essen, um arbeiten zu können, und das gab es seit der ersten Kartoffelfäule nicht. Immer nur wässrige Suppe wie im Arbeitshaus und hier, nur im Sommer mal frische Waldbeeren oder ein paar Wurzeln und Zwiebeln. So wie sie litt kaum jemand unter der großen Hungersnot. Da nützte alles Hoffen und Beten nichts.«
    »Viel mehr bleibt uns aber nicht«, erwiderte Bryan. »Ich hab mich auf dem Kabinendeck umgesehen und versucht, besseres Essen zu ...« Er suchte nach dem richtigen Wort. »... zu organisieren, aber da war leider nichts zu machen.«
    »Du wolltest ... stehlen?« Molly blickte ihn entsetzt an. »Auf dem Kabinendeck? Und wenn sie dich dabei erwischt hätten? So wie ich den Ersten Maat einschätze, hätte er dich auspeitschen und anschließend über Bord werfen lassen!«
    Bryan grinste. »Und wenn schon. Dann wäre ich eben nach Amerika geschwommen und hätte dort auf dich gewartet. Ich bin ein guter Schwimmer.«
    »Das hätte ich sehen mögen, Blue Eyes!«
    »Soll ich?« Er tat so, als würde er über Bord springen, und hielt mitten in der Bewegung inne. »Nun ja, vielleicht lasse ich es doch lieber. Das Meer soll verdammt kalt sein und wozu hätte ich sonst mein Ticket? Die geben mir doch keinen Penny zurück, wenn ich in New York aus dem Wasser steige.«
    »Die sperren dich höchstens in ein Irrenhaus.«
    »Da bin ich wenigstens sicher vor dir, Little Red.«
    Molly hielt sich mit beiden Händen an der Reling fest und starrte zum Horizont. Der spitzbübische Ausdruck aus ihren Augen war verschwunden.
    »Was hast du denn, Little Red?«
    Ihr Blick klebte am Horizont. »Sieh doch nur! Die schwarze Wand da hinten! Das sind Wolken, Bryan! Sturmwolken! Vor ungefähr drei Jahren hatten wir so einen Sturm in Castlebar. Der Himmel wurde rabenschwarz, so wie jetzt, und wir waren kaum im Haus, als die ersten Hagelkörner fielen. Schwere Hagelkörner, so dick wie Hühnereier! Die schlugen fast unser Dach ein!«
    »Und auf hoher See ist ein Sturm noch viel gefährlicher!« Bryan war ebenso entsetzt wie sie. »Schnell ... zurück aufs Zwischendeck, bevor uns der Wind ins Meer schleudert! Hör nur, wie die Segel knattern! Es geht schon los!«
    Molly rannte mit wehenden Kleidern zum Niedergang und hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest. Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie den Ersten Maat auf das Achterdeck treten. Seine schrille Pfeife scheuchte die Matrosen an ihre Plätze. »Alle Mann an Deck!«, tönte es aus seinem Sprachrohr. »Alle Segel reffen! Beeilt euch, ihr faulen Säcke! In die Wanten mit euch! Oder wollt ihr die nächsten Stunden im Meer verbringen? Vorwärts!«
    Molly flüchtete bereits vor den ersten Regentropfen und sah nicht mehr, wie die Männer an den schwankenden Masten hochkletterten und die Segel einzogen. Die Masten und Rahen waren glitschig vom Sprühwasser, ein einziger Fehltritt konnte den Tod bedeuten. Der Wind, immer heftiger und stürmischer, zerrte an der Kleidung der Männer und trieb ihnen den kalten Regen ins Gesicht. Ihre Finger waren in das widerspenstige Segeltuch verkrampft.
    Unter Deck arbeitete sich Molly zu ihrer Koje vor. Sich an den Betten und dem langen Tisch abstützend, stolperte sie über das schwankende Zwischendeck. Der Sturm hatte die
Elizabeth
bereits im Griff und drückte sie mit aller Macht nach Backbord. Die Planken knarrten und stöhnten und man hörte, wie die Wellen wütend gegen die Schiffswand schlugen. Wie aus weiter Ferne drangen die Befehle des Ersten Maats zu ihnen herunter. »Beeilt euch, Männer! Alle Segel, habe ich gesagt! Zwei Männer schließen alle Luken!«
    Über dem Niedergang ging eine Klappe herunter und auf dem Zwischendeck wurde es noch dunkler. Nur noch die hektisch tanzenden Lichtflecken der Laternen waren zu sehen. »Ein Sturm! Der Himmel ist ganz schwarz!«, rief Molly in das Halbdunkel. Und als sie erkannte, wie gefährlich die Laternen schaukelten: »Löscht die Laternen, sonst bricht noch ein Feuer aus! Beeilt euch! Sitzt nicht rum wie die Kaninchen oder wollt ihr alle verbrennen?«
    Die meisten Frauen saßen wie versteinert auf ihren Kojen und klammerten sich in panischer Angst an die hölzernen Streben. In ihren Augen stand pure Verzweiflung. Die meisten Passagierinnen waren noch nie an Bord eines Schiffes gewesen und glaubten, ihre letzte Stunde wäre gekommen. Als hätten Dämonen das Schiff

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