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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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zu schaffen machte, war die Nähe des ständig betrunkenen und stinkenden Kutschers. Doch während zwei andere Frauen, die sich dem Treck mit ihren Familien angeschlossen hatten und sich im New-Mexico-Territorium niederlassen wollten, unter die Plane ihres Wagens flohen, blieb Molly auf dem Kutschbock sitzen und zog lediglich ihren Hut tiefer in die Stirn. In der alten Heimat hatte sie Schlimmeres erlebt und durchlitten.
    Zu einem ersten Zwischenfall kam es in Diamond Springs, das sie nach ungefähr drei Wochen erreichten, eine größere Poststation, die aus zwei Steinhäusern, einem Hotel, einem Restaurant, einem Saloon, einem Laden und einer Schmiede bestand. Hinter den Häusern weidete die Pferdeherde des Postmeisters in einem Corral. Molly quartierte sich für einige Stunden im Hotel ein, wusch ihre Kleider und gönnte sich ein sündhaft teures heißes Bad. Im Laden kaufte sie Vorräte ein. Als sie Miller anbot, auch dessen Kleider zu waschen, bekam sie nur ein unwilliges Brummen zur Antwort. Der Kutscher zog es vor, die meiste Zeit im Saloon zu verbringen, und war am nächsten Morgen noch so benommen, dass er von zwei Männern auf die Ladefläche des Wagens gehoben werden musste, um dort seinen Rausch auszuschlafen.
    Molly konnte von Glück sagen, dass sich dieselben Männer bereit erklärten, ihre Ochsen vor den Wagen zu spannen. Als sie auf den Kutschbock kletterte und die schweren Zügel aufnahm, ließ sich der Wagenboss auf seinem Pferd bei ihr blicken. Sie hatte mit Roy Calhoun, der von allen Teilnehmern gewählt worden war, um für einen reibungslosen Ablauf auf dem Trail zu sorgen, bisher nur einige Worte gewechselt und war überrascht, wie freundlich und zuvorkommend er sich gab. »Guten Morgen, Miss Campbell.« Er berührte die Krempe seines Hutes und blickte an ihr vorbei auf den Wagen. »Sieht ganz so aus, als hätten Sie sich den falschen Kutscher ausgesucht. Der Bursche fällt mir schon die ganze Zeit auf. Am liebsten würde ich ihn hier lassen, aber solange es keinen Ersatz für ihn gibt, kann ich ihn leider nicht entbehren.« Er blickte auf die Zügel in ihren Händen. »Sind Sie sicher, dass Sie mit dem Gespann zurechtkommen? Die Arbeit ist kein Zuckerschlecken.«
    »Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, Mister Calhoun.«
    »Roy«, verbesserte er sie. Obwohl er zwanzig Jahre älter als sie sein musste, schien er sich für sie zu interessieren. »Ich würde gern einen Mann für Sie abstellen, solange dieser Versager seinen Rausch ausschläft, aber das geht im Augenblick leider nicht. Sobald ich etwas Zeit habe, helfe ich Ihnen, Miss.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Roy.«
    Molly schlug sich tapfer. Unter den bewundernden Blicken des Postmeisters, der vor seinem Haus an einem Vorbaubalken lehnte und rauchte, feuerte sie ihr Ochsengespann an und lenkte den Wagen vom Hof. In einer dichten Staubwolke, die nicht mehr erkennen ließ, dass sie den Vorabend in einer heißen Badewanne verbracht hatte, folgte sie den anderen Wagen nach Westen. Die Zügel lagen schwer in ihren Händen und verursachten schmerzhafte Schwielen, obwohl sie die dicken Lederhandschuhe ihres Kutschers trug, und sie spürte noch am Vormittag, wie ihre Kräfte schwanden. Mit gerötetem Gesicht und schnellen Atemzügen kämpfte sie gegen die zunehmende Schwäche an, fest entschlossen, nicht aufzugeben. Dennoch war sie heilfroh, als der Wagenboss sein Pferd an ihren Wagen band, auf den Kutschbock kletterte und ihr lächelnd die Zügel abnahm. »Sie halten sich wacker, Molly. Ich darf doch Molly sagen?« Und als sie nickte: »Vielleicht bin ich ja zu neugierig, aber wie kommt es, dass eine schöne Frau wie Sie noch nicht verheiratet ist?«
    »Ich bin verlobt«, antwortete sie. »Leider hatte mein Verlobter noch keine Zeit, einen Verlobungsring zu kaufen. Das holen wir in Santa Fe nach. Er will in ein paar Wochen nachkommen. Er hat noch einiges in New York zu tun.«
    »Ein Geschäftsmann?« Calhoun verbarg seine Enttäuschung nur mühsam.
    »So ähnlich«, erwiderte sie ausweichend.
    Der Wagenboss schlug mit den Zügeln auf die Ochsen ein. »Schade, ich hätte Ihnen gern den Hof gemacht. Mag sein, dass ich ein wenig älter als Ihr Verlobter bin, aber ein bisschen Erfahrung schadet hier draußen nichts.« Er lächelte etwas gezwungen. »Wollen Sie sich in New Mexico niederlassen?«
    »Texas ... wir wollen nach Texas.«
    »Texas?« Calhoun blickte sie verwundert an. »Dann sind Sie noch mutiger, als ich dachte. Oder Sie haben

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