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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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stand Molly auf und ging zur Tür. Sie öffnete sie vorsichtig und blickte durch einen schmalen Spalt in den Flur, sah einen jungen, nur halb angezogenen Mann aus der Nachbarsuite kommen. Er schaute sich ein wenig ängstlich in dem langen Flur um und verschwand im Treppenhaus.
    Molly kehrte kopfschüttelnd in ihr Bett zurück. Ein leichtes Schmunzeln konnte sie sich nicht verkneifen. So war das also. Kein Wunder, dass Luther Bradford niemals den Versuch gemacht hatte, sie näher kennenzulernen. Ihr war es recht. Was wohl ihre Mutter zu ihrem neuen Bekannten gesagt hätte?
    Beim Frühstück ließ sich Molly nichts anmerken. Luther Bradford hatte keine Ahnung, dass sie seiner Neigung auf die Schliche gekommen war, und ihr war es egal. Der Geschäftsmann war höflich und zuvorkommend zu ihr gewesen und hatte sich immer korrekt verhalten und sie war ihm äußerst dankbar für alles, was er für sie getan hatte, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Die blutigen Kratzer an seinem Hals erklärte er mit einer aufsässigen Katze, der er letzte Nacht auf der Treppe zu seiner Suite begegnet sei.
    Noch während sie frühstückten, polterten die festen Schritte eines unansehnlichen Mannes über den Parkettboden. Ein gedrungener Bursche mit dem wettergegerbten Gesicht eines Menschen, der sich die meiste Zeit im Freien aufhielt, mit schmalen Augen und einem schmutzigen Schnurrbart über den aufgesprungenen Lippen. Unter seinem breitkrempigen Hut schauten halblange dunkle Haare hervor. Er trug speckige Wildlederkleidung und feste Stiefel mit silbernen Sporen. Die neugierigen Blicke der Kellner folgten ihm.
    Vor ihrem Tisch blieb er stehen. Er spuckte einen Strahl des Kautabaks aus seiner linken Backe in die leere Konservendose, die er zu diesem Zweck mitgebracht hatte, und brummte: »Ist das die Lady, die ich mitnehmen soll?«
    »Miss Molly Campbell«, bestätigte Luther Bradford, »und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie in Gegenwart einer Lady den Hut abnehmen würden.« Er wartete, bis der Mann seiner Aufforderung folgte. »Mitch Miller.«
    Molly begrüßte ihn mit einem Kopfnicken. Sie war bei dem rüden Auftreten des Kutschers etwas blass geworden und stellte rasch ihre Tasse ab, um sie nicht fallen zu lassen oder den heißen Kaffee zu verschütten. Mit einem gequälten Lächeln überspielte sie ihre Verlegenheit. Selbst der einfachste Knecht in der alten Heimat hatte nicht so einen grobschlächtigen Eindruck wie dieser Mann gemacht. Und bei ihm sollte sie die nächsten zwei oder drei Monate auf dem Kutschbock sitzen? Am liebsten hätte sie ihre Entscheidung verworfen und wäre in St. Louis geblieben. Aber die Angst, ihren geliebten Bryan zu verpassen, war noch größer als vor der langen Reise über den Trail.
    »Die Fahrt über den Santa Fe Trail ist kein Zuckerschlecken, Lady«, sagte Miller. Er biss ein neues Stück von seinem Kautabak ab und deutete auf ihr Kleid. »Sie ziehen sich besser was Wetterfestes an, bevor wir losfahren. In dem Fummel kommen Sie keine drei Meilen weit. Irgendwas aus Wildleder, am besten eine Reithose und feste Stiefel. Und einen breitkrempigen Hut.«
    »Das hatte ich sowieso vor, Mister. Oder glauben Sie etwa, ich weiß nicht, wie man sich für einen solchen Treck anziehen muss? Ich bin durch halb Irland gefahren und gewandert, ich weiß, wie man sich gegen Wetter schützt.«
    »Nicht gegen das, was sie auf dem Trail ›Wetter‹ nennen. Glauben Sie mir, Lady, da draußen gibt es Stürme, die bringen selbst ausgewachsene Männer um den Verstand. Und wenn es mal gerade nicht stürmt oder regnet oder heiß wie in einem Backofen wird, können Sie froh sein, wenn Sie nicht an dem Staub und dem Dreck ersticken, den die Ochsen und die Wagen aufwirbeln.«
    »Ich hab keine Angst, Mister.« Molly wusste schon jetzt, dass sie sich niemals mit dem Kutscher anfreunden würde, schon wegen des Alkoholdunstes, der von seinem verschwitzten Körper ausging. »Ich hoffe nur, Sie sind nüchtern genug, wenn wir aufbrechen. Ich hab keine Lust, mit einem Betrunkenen unterwegs zu sein. Die passende Kleidung allein tut es nicht, Mister.«
    Miller wollte aufbrausen, überlegte es sich aber anders. Die Gefahr, den Job und seinen Lohn zu verlieren, war zu groß. »Und nehmen Sie nicht zu viel Gepäck mit, dafür ist auf dem Wagen kein Platz.« Er spuckte den Kautabak in die leere Konservendose. »Morgen früh um sechs Uhr hole ich Sie ab.«
    »Ich werde bereit sein, Mister Miller.«
    Der Kutscher brummte etwas

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