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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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dann mit diesem Ignoranten ab?«
    »Sehr einfach«, erwiderte die Gräfin, während sich ein ebenso zuckersüßes wie unnahbares Lächeln auf ihre bleichen Züge schlich, »weil er nicht nur falsch, sondern auch nützlich ist … Mein lieber Leopold«, fuhr sie mit lauter Stimme fort, ohne ihren Tonfall auch nur im Ansatz zu ändern, »wie überaus freundlich von Ihnen, uns zu empfangen.«
    »Aber nicht doch, Gräfin«, entgegnete Bogary händeringend, ehe er sich wild gestikulierend verbeugte und einen Handkuss offerierte. »Es ist mir eine Freude.«
    »Genau wie mir, mein lieber Leopold, genau wie mir. Gestatten Sie, dass ich Ihnen meine gute Freundin Lady Kincaid vorstelle. Lady Kincaid – Professor Bogary.«
    »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Professor«, entgegnete Sarah artig, worauf Bogary das Monokel abnahm und seine Augen zu schmalen Schlitzen verengte, ehe er es wieder einsetzte. »Eine Frau«, stellte er wenig geistreich fest. »Noch dazu Britin …«
    »Ihr Scharfsinn ist einmal mehr kaum zu übertreffen, mein lieber Leopold«, erkannte Czerny lächelnd an.
    »Aber Ihr Bote sprach von einem Spezialisten, einer anerkannten ausländischen Kapazität …«
    »Lady Kincaid ist beides – sowohl eine Meisterin auf dem Gebiet der angewandten Archäologie als auch eine in Fachkreisen anerkannte und angesehene Wissenschaftlerin«, versicherte die Gräfin.
    »In der Tat«, fügte Hingis hinzu. »Ich selbst war zugegen, als sie vor zwei Jahren auf dem Symposion des internationalen Forschungskreises für Archäologie an der Pariser Sorbonne auftrat …«
    Sarah verkniff sich ein Grinsen. Was der Schweizer sagte, stimmte zwar. Allerdings hatte er geflissentlich verschwiegen, dass er selbst es gewesen war, der jenes Symposion für sie zu einem einzigen Debakel hatte werden lassen – aus denselben Gründen, die auch Bogary zu bewegen schienen.
    Borniertheit und Arroganz …
    Abermals rückte der Bibliotheksvorsteher sein Monokel zurecht und betrachtete Sarah vom Scheitel bis zur Sohle. Was er sah, schien ihm nicht zu gefallen. »Nun gut«, meinte er dennoch nach einer Weile, »wenn die Sorbonne in der Lage ist, sich derart großzügig zu zeigen, können wir es uns wohl auch leisten. Sie erhalten die Erlaubnis, die Bibliothek aufzusuchen und dort zu recherchieren.«
    »Danke, Professor«, sagte Sarah mit freundlichem Nicken. Sie hatte gelernt, dass es besser war, Ewiggestrige vom Schlage Bogarys schlichtweg zu ignorieren – was allerdings nur funktionierte, so lange deren eingeschränkte Weltsicht ihr nicht den Weg versperrte …
    Zusammen gingen die beiden Frauen zum Eingangsportal, Hingis folgte ihnen in respektvollem Abstand.
    »Verstehen Sie jetzt, was ich vorhin meinte?«, flüsterte die Gräfin Sarah dabei zu.
    »Allerdings«, entgegnete diese. »Allerdings …«
    U NIVERSITÄTSBIBLIOTHEK
K LEMENTINUM , P RAG
    Wie so oft, wenn sie sich in einer Bibliothek aufhielt und sich zwischen Büchern und Schriftrollen, zwischen Codices und alten Pergamenten auf die Jagd nach der Vergangenheit begab, vergaß Sarah die Zeit und alles andere um sich herum. Auf einem großen Tisch, der sich in der Mitte des mit dunklem Holz getäfelten Lesesaals befand, lagen Dutzende von Büchern und Folianten ausgebreitet; Forschungsliteratur nicht nur in englischer, sondern auch in deutscher Sprache, dazu alte lateinische Handschriften.
    Zusammen mit Friedrich Hingis und der Gräfin von Czerny die tatsächlich über einiges historisches Wissen verfügte und sowohl des Lateinischen als auch des Altgriechischen mächtig war, ging Sarah jedem nur denkbaren Hinweis nach. Die Methode, der sie sich dabei bediente, war denkbar einfach. Man begann mit einem konkreten Hinweis, mit einer Spur, die man hatte, und suchte nach einem schriftlichen Beleg dafür. Anschließend forschte man nach dessen Quellen und so weiter und so weiter. Das Geflecht an sich immer weiter verzweigenden Informationen, das sich dabei ergab, bildete schließlich die Grundlage zum Verifizieren der eigenen Theorien, und je tiefer Sarah in die Materie eintauchte und je mehr Informationen sie gewann, desto überzeugter war sie davon, dass jenes ominöse Heilmittel, von dem nicht nur der Rabbiner, sondern auch der Einäugige gesprochen hatte, tatsächlich existierte.
    Den ganzen Nachmittag und den Abend über bis tief in die Nacht hinein brüteten Sarah und ihre Gefährten über handgeschriebenen Kommentaren und gedruckten Abhandlungen; sie lasen die Werke

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