Am Ufer Des Styx
Blut, die aus der kleinen, rechteckigen Türöffnung starrten.
Sie waren abgemagert bis auf die Knochen und von Wahnsinn gezeichnet. Das Haupt war kahl geschoren, die Augen starrten mit fiebrigem Blick; dennoch erkannte Sarah in ihnen schaudernd ihre Nemesis, den Urgrund ihrer Albträume.
Mortimer Laydon!
»Was für eine Freude, dich zu sehen, mein Kind …«
Der Mörder ihres Vaters kicherte erneut, was für Sarah einem Schlag ins Gesicht gleichkam. Laydon hatte Gardiner Kincaid verraten und ihn feige aus dem Hinterhalt gemeuchelt, während er sich weiter als ihr väterlicher Freund und Pate ausgegeben hatte. Erst auf der Suche nach dem Buch von Thot hatte er sein wahres Gesicht offenbart, nachdem auch Sarah und Kamal seine Falschheit fast mit dem Leben bezahlt hätten. Einen denkwürdigen Augenblick lang hatte Sarah eine Pistole in der Hand gehalten und die Möglichkeit gehabt, Laydons frevlerischem Dasein ein Ende zu setzen. Sie hatte sich dagegen entschieden -was sie in diesem Moment fast bedauerte.
Da sie ihren Patenonkel in der geschlossenen Anstalt von Bedlam wähnte, hatte sie nicht damit gerechnet, ihm hier zu begegnen. Entsprechend schockierend war das Zusammentreffen für sie, wie ihren kreidebleichen Zügen unschwer zu entnehmen war.
»Du scheinst nicht sehr erfreut zu sein, mich zu sehen«, stellte Laydon fest und legte sein kahles Haupt schief, während er sie durch die Öffnung betrachtete. »Bist du am Ende gar nicht gekommen, um mich zu besuchen? Solltest du noch mehr Vertraute innerhalb dieser tristen Wände haben? Vielleicht einen heimlichen Geliebten …?«
Erneut begann er, hämisch zu kichern, und Sarah spürte, wie ihr blanker Zorn in die Adern strömte. Wie eine Furie schoss sie zur Zellentür, Hass loderte in ihren Augen.
»Was weißt du?«, zischte sie. »Los, sag es mir!«
Laydons Gelächter wurde nur noch bösartiger.
»Was denn? Du sprichst plötzlich mit mir?«
»Wenn du etwas von Kamal weißt, dann sag es! Jetzt! Hörst du?«
»Sarah. Meine gute Sarah.« Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Aus deiner Reaktion schließe ich, dass dir erneut etwas widerfahren ist, das deine Welt bis in die Grundfesten erschüttert. Und genau wie all die vorherigen Male, wie beim alten Kincaid und bei deinem verkommenen französischen Freund, gibst du anderen die Schuld daran. Nicht im Traum würde es dir einfallen, dass du selbst der Anlass dafür bist …«
»Wage es nicht, meinen Vater und Maurice auch nur zu erwähnen«, konterte sie, bebend vor mühsam beherrschtem Zorn. »Beide könnten noch am Leben sein, wärst du nicht gewesen.«
»Denkst du das wirklich?«
»Ich weiß es. Ebenso, wie ich weiß, dass deinen Worten nicht zu trauen ist. Schon einmal hast du meinen Verstand und mein Herz damit vergiftet, genau wie bei meinem Vater. Aber anders als er bin ich rechtzeitig aufgewacht und habe dein wahres Wesen durchschaut.«
»Doch nur, weil ich mich dir offenbart habe. Hätte ich es nicht getan, so würdest du noch immer verzweifelt nach der Wahrheit suchen. Mit Blindheit bist du geschlagen, Sarah Kincaid, nicht nur, was deine Vergangenheit betrifft …«
»Das geht dich nichts an«, schnaubte sie, verärgert darüber, dass er ihr innerstes Geheimnis kannte.
»Ich weiß vieles über dich, Sarah. Mehr, als du ahnst – und manch anderes, als dir lieb sein dürfte.« Erneut brach er in jenes gehässige Kichern aus, das vom Wahnsinn gezeichnet war und Sarah bis ins Mark traf.
»Was weißt du?«, erkundigte sie sich abermals, noch schärfer diesmal. »Sprich, oder ich …«
»Willst du mir drohen? Nachdem du mir alles genommen hast?«
»Was dir widerfahren ist, hast du dir selbst zuzuschreiben. In deiner Gier nach Reichtum und Macht hast du dich mit Leuten eingelassen, von denen du dich besser ferngehalten hättest.«
»Genau wie du und wie dein Vater vor dir«, konterte Laydon gelassen. »Trotz allem, was war, hast du noch immer nicht begriffen, wie alt und mächtig jene Organisation ist und wie weit ihre Arme reichen – selbst bis hierher, in diese dunklen Mauern.«
»Was soll das heißen?«, erkundigte sich Sarah vorsichtig, jede Silbe betonend. Wiederholt hatte Mortimer Laydon sie manipuliert und hintergangen. Auch wenn er dem Wahnsinn verfallen sein mochte, war er noch immer gefährlich …
»Sowohl in Alexandria als auch auf der Suche nach Thots Vermächtnis hast du ihre Pfade gekreuzt«, kam es höhnisch zurück, »aber noch immer hast du nicht erkannt, mit wem du es
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