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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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bist ein gemeiner Mörder und hast wehrlose junge Frauen abgeschlachtet …«
    »Nicht zum Vergnügen, wie du weißt – jedenfalls nicht nur.«
    »… und du hast meinen Vater getötet«, brachte Sarah ihren Satz unbeirrt zu Ende.
    »Auch du wärst dazu fähig, du weißt es nur nicht. Du hast sie in dir, Sarah – dieselbe Leidenschaft, die auch mich erfüllt. Denselben Hang zur Dunkelheit. Dein Vater hat das immer gewusst. Deshalb – und nur deshalb – hat er dir einige Dinge vorenthalten. Er fürchtete, dass du deiner wahren Bestimmung folgen könntest.«
    »Welcher Bestimmung?«, wollte Sarah wissen.
    »Welche wohl?«, konterte Laydon, und erneut verzerrte latenter Wahnsinn seine ergrauten Züge. »Ich spreche davon, deinen Platz innerhalb der Organisation einzunehmen. Dein Vater hat immer geahnt, dass es eines Tages dazu kommen würde, und er tat sein Möglichstes, um es zu verhindern.«
    »Du lügst«, sagte Sarah noch einmal, aber die Schärfe war ihren Worten genommen, sie waren welk und bedeutungslos. Sarahs Kiefer mahlten, und ihre Lippen bebten, während sie ihr Bewusstsein mit aller Kraft gegen die Zweifel abzuschotten suchte, die Laydon in ihr geweckt hatte – aber es gelang ihr nicht ganz.
    Sollte der Mörder am Ende Recht haben? Sollte dies der wahre Grund dafür gewesen sein, dass ihr Vater ihr manche Dinge vorenthalten und lange Zeit nichts von Meherets Erben erzählt hatte?
    Voller Beklemmung erinnerte sie sich daran, dass ihr Vater sie sterbend um Verzeihung gebeten hatte, dass er seine letzten Atemzüge hatte nutzen wollen, um ihr etwas zu gestehen. Seine Lippen hatten sich jedoch geschlossen, noch ehe er dazu gekommen war, und Sarah hatte sich manches Mal gefragt, was ihr Vater ihr hatte sagen wollen.
    War es dies gewesen? Hatte er insgeheim etwas geahnt? Oder hatte er die ganze schreckliche Wahrheit gekannt?
    »Nachdem du all das nun weißt«, riss Mortimer Laydons vor Ungeduld bebende Stimme Sarah in die Gegenwart zurück, »möchte ich dir noch einmal die Frage stellen, mit der alles begann: Wer bist du, Sarah Kincaid? Verrate es mir!«
    Sarah, die zuletzt betroffen zu Boden gestarrt hatte, hob ihren Blick und schaute ihrem Erzfeind in die blitzenden Augen. »Ich weiß, was du jetzt hören willst«, antwortete sie leise, »aber ich werde die Worte nicht aussprechen. Selbst wenn alles wahr wäre, was du sagst – eher schneide ich mir eigenhändig die Zunge heraus, als dass ich ein Scheusal wie dich meinen Vater nenne.«
    »Wie du willst.« Laydon zuckte mit den Achseln, dass die Ketten um seine Handgelenke klirrten. »Dann werde ich dir auch nicht helfen.«
    Nach ihrem Wutausbruch hatte sich Sarah nicht mehr gesetzt. Fassungslos stand sie vor ihm, innerlich bebend und mit geballten Fäusten. Der Aufruhr, der in ihr herrschte, war unbeschreiblich, und widerwillig gestand sie sich ein, dass es Mortimer Laydon einmal mehr gelungen war, ihre Welt bis in die Grundfesten zu erschüttern.
    Sie führte einen inneren Kampf, sagte sich, dass es nur hohle Worte wären, dass es Laydon nur darum ging, sie zu demütigen, dass sie um Kamals willen auf seine Forderung eingehen musste – aber sie brachte es dennoch nicht über sich.
    Hatte Laydon Recht gehabt? War ihr Stolz tatsächlich größer als ihre Liebe? Gab es tatsächlich eine dunkle Seite in ihr, die sie noch nicht kennen gelernt hatte?
    Erneut fühlte sie nagenden Zweifel, und sie wusste, dass sie das Gespräch beenden musste. Je länger sie sich in Laydons Gesellschaft befand, desto mehr lief sie Gefahr, von seinen Gedanken vergiftet zu werden. Sie musste versuchen, für Kamal anderweitig Hilfe zu beschaffen, ehe sie all ihrer Illusionen beraubt und ein Schatten ihrer selbst wurde, von Ängsten und Befürchtungen zerfressen. Laydon war auf dem besten Weg, sie dazu zu machen …
    »Nun gut«, sagte sie deshalb leise, »ich werde dir deine Frage auf meine Weise beantworten: Ich bin, was ich bin. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn dir das als Antwort genügt, dann erfülle jetzt deinen Teil der Abmachung. Wenn nicht, dann zum Henker mit dir.«
    Da Sarah nicht erwartete, dass Laydon sich damit zufriedengeben würde, wandte sie sich auf dem Absatz um und ging erneut Richtung Tür, im festen Entschluss, sie diesmal zu durchschreiten. Auf der Schwelle jedoch rief Laydon sie zurück.
    »Eines noch«, bat er sich aus.
    »Dann aber rasch«, drängte sie. »Ich habe ohnehin schon zu viel Zeit vergeudet.«
    »Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass die

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