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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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Qualität, die die meinigen nicht haben, obwohl ich immer in diesem Beruf gearbeitet habe. Meine haben eine andere Weichheit. Obwohl voller Hornhaut und rauer Stellen, sind meine Finger doch fleischig, so wie auch mein Körper fleischig ist, immer an der ungewissen Grenze zur Fettleibigkeit, während seiner in der Jugend so geschmeidig wie ein Schilfrohr war (er hatte auch etwas Untergründiges, das Trübe des Sumpfes, in dem das Schilf wächst) und jetzt die Härte und Unregelmäßigkeit von gewissen, besonders knotigen Stämmen erworben hat, einem alten Ölbaum, einem Johannisbrotbaum. Er konzentriert sich auf seine Arbeit, kümmert sich nicht um das, was um ihn herum geschieht, ist unberührt von den Wechselfällen des unternehmerischen Lebens. Wobei unternehmerisch in unseren Zeiten ein hässliches Wort ist, vor einem Jahrhundert noch bedeutete es Unruhe, Fortschritt, jetzt ist es ein Synonym mehrerer Wörter mit negativer Energie: Ausbeutung, Egoismus, Verschwendung. Er war höchst erstaunt, als ich, statt meinen Eintritt in den Ruhestand zu verkünden, ihn mit der Leitung der Werkstatt zu betrauen und seinGehalt zu erhöhen, was sehr günstig für die Berechnung seiner Rente gewesen wäre, hinter dem gedrechselten Tisch in dem verglasten Podest sitzen blieb, das wir Büro nennen und von wo man die ganze Werkstatt überblickt: Ich sehe ihn vor der Drehbank, neben der Säge, der Hobelbank, kann alle seine Bewegungen verfolgen. Außerdem hatte ich, dem Prinzip meines Vaters zuwiderhandelnd (wir beuten niemanden aus, wir leben von unserer Arbeit), Jorge angestellt, einen anderen Schreiner, von dem er meinte, er könnte ihm seine Position streitig machen, und drei Hilfskräfte, die mit anpacken sollten, vor allem den Lieferwagen fahren und die leichteren Montagearbeiten vor Ort erledigen, ganz speziell die bei den Bauten von Pedrós, unseren Bauten. Ich möchte auf meine Rente noch was draufpacken und habe eine große Geschichte an Land gezogen, mehr Arbeit für alle und für dich eine bessere Vergütung (nein, es war nicht die Vergütung, die er als Werkstattchef zu bekommen erwartete, aber ich hab seinen Lohn erhöht, besser als nichts): Also, die kleinen Aufträge erledigen, den täglichen Kleinkram, aber dann vor allem mit Vollgas die Türen und Fenster und die Zimmermannsarbeit für die Bauten von Pedrós angehen, da kommen Überstunden auf uns zu, die werden gut bezahlt (ich habe ihm nicht erzählt, dass ich sein Gesellschafter geworden war als Bauträger bei den Apartmenthäusern, die er gerade baute und die so gut wie schlüsselfertig waren, aber auch bei zwei gerade erst begonnenen Bauten, einer davon noch im Stadium der Fundamentlegung; ich hatte mich als Wechselbürge seines Kredits mit einer Hypothek auf das Grundstück am Berg eingebracht und als Mitkreditnehmer für das Baugeld, war fünfzigprozentiger Partner für die neuen Bauvorhaben geworden, was nicht nur Hypotheken auf Haus, Werkstatt und Grundstücke erforderlich machte, sondern auch die Auflösung der Sparkonten, die der Alte bei der Bank hatte, dazu das, was ich hatte und seiner Kontrolle hatte entziehen können). Da steckt verdammt viel Arbeit drin, sagte Álvaro, obwohl ich ihm nur von den Schreinerarbeiten für den fast vollendeten Bau erzählt hatte. Es warnoch nicht der Moment gekommen, ihm von den anderen, gerade begonnenen Projekten zu erzählen. Und das von der Gesellschaft habe ich ihm natürlich auch nicht gesagt. Von den Darlehen und den Hypotheken habe ich erst recht nichts erzählt. Ich sagte ihm, dass ich neue Leute einstellen würde. Das habe ich ihm gesagt. In seinem Gesicht stand geschrieben, dass ich mich im Alter wohl von der Gier hatte anstecken lassen. Du hast die ganzen Schreinerarbeiten für Pedrós übernommen?, er stellte sich schwerhörig, als begriffe er die Dinge nicht beim ersten Mal. Ich hörte ihn reden und hörte die Worte meines Vaters: Wir beuten niemanden aus, wir leben von unserer Arbeit. Genau das wollte er, dass sie mir laut im Ohr klangen. Álvaro war die Ausnahme, der Sohn des Genossen und sicherlich der Lieblingssohn meines Vaters. Ein Fami lien mitglied mehr, kein Ausgebeuteter. Zum ersten Mal in meinem Leben traf ich Entscheidungen, strebte etwas an, zeigte Ehrgeiz. Statt einem erwartbaren Erschlaffen am Ende lagen Monate frenetischer Betriebsamkeit vor uns. Ich will nicht mit der Scheißpension eines Selbständigen und der lächerlichen Zusatzrente in den Ruhestand gehen. Ja, ja, da hast du recht, da

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