Am Ufer (German Edition)
TV-Serie
Rom
glaubt, haben sie Nacht für Nacht locker drei oder vier Leichen eingesammelt, und hopp, hoch, noch ein Toter in den Karren, nimm du ihn von da und ich von hier, und eins, zwei, loooos, packt ihn an den Armen und an den Beinen und nichts wie hoch, ganz schön schwer: Tote mit offenen Eingeweiden, sie stinken nach Scheiße oder nach Verwesung, grüne Fliegen wie Smaragde, eine surrende Wolke um die Leichen, die wie abgeworfen an den Ecken liegen; wenn eine Ratte, gerade einmal eine Spanne lang, beim Verwesen so riecht und einen solchen Wirbel von Schmeißfliegen und Wespen anlockt, dann kannst du dir vorstellen, wie ein verwesender Körper von neunzig oder hundert Kilo stinkt und was für ein Schwarm von Insekten ihn umgeben muss. Die Leichen siehst du in Filmen, in den Fernsehnachrichten. Da riechen sie nicht. Aber wenn diese Toten verwesend und aufgebläht wie Weinschläuche an den Ufern des Flusses, der durch Rom geht, jetzt fällt mir der Name nicht ein, vorbeitreiben, dann stell dir mal den Duft vor; und die Angestellten der Müllabfuhr trugen damals keine Handschuhe, keinen Atemschutz, auch keine reflektierende Weste, um im Dunkeln nicht von einem durchgegangenen Pferd niedergetrampelt zu werden. Ich denke mir, sie haben den Abfall tagsüber eingesammelt, denn nachts, das kannst du dir vorstellen, unmöglich, bei dieser Dunkelheit, was sollten sie da schon machen. Im Sommerriecht’s hier auch nicht gerade nach Rosen. Im Winter ist das anders: da sind weniger Leute da, die Müllcontainer quellen nicht über, wenn nicht gerade Feiertage sind: Weihnachten, Neujahr, oder Tage mit vielen Geschenken, Muttertag oder Vatertag, Heilige Drei Könige, solche Festtage, die sind gezählt, und wenn es nicht um derartige Tage geht, dann reichen die Container bestens aus, und es gibt Viertel, da rentiert es sich kaum, vorbeizufahren, Viertel mit Ferienhäusern, Apartmentgebäuden in der Gegend von La Marina oder bei den neuen Siedlungen am Berg, wo die Container in all den Monaten leer bleiben oder höchstens ein oder zwei Müllbeutel beherbergen und man eine ganz andere Luft als im Sommer atmen kann, die Kälte friert die Gerüche ein, nimmt ihnen Kraft, beschränkt sie auf ihren Ort, verhindert, dass sie sich ausbreiten; wenn es kalt ist, dann riechen die Dinge, und nicht die Luft, jedes Ding riecht für sich allein; wenn etwas schlecht riecht, dann ist es genau das, was schlecht riecht, und es ist nicht so wie im Sommer, dass der Geruch sich ausbreitet über viele Meter Grund, wie ein Schleier, darin der Gestank von all dem Dreck schwebt, und dieser Schleier ist überall, umhüllt alles und jedes. An Tagen wie heute, im Winter, wenn ich hinten am Müllwagen auf dem Trittbrett stand und durch die Siedlungen an der Küste fuhr oder zwischen diesen vornehmen Chalets am Berghang, fühlte ich mich manchmal nachts so, wie sich diejenigen wohl fühlen, die auf dem Meer Wasserski fahren: Die kalte Luft schlägt dir ins Gesicht, der Geruch nach feuchtem Gras, Harz, nasser Erde, die Einsamkeit der Nacht (nur wir fahren über diese Straßen, die von Mauern oder Gittern eingefasst sind, über die sich Gepflanztes ergießt, die Dunkelheit, ganze Viertel, in denen kein einziges Licht in den Fenstern zu sehen ist, und in einigen Straßen lässt die Stadtverwaltung auch keine Laterne brennen. Du kommst dir vor wie in einer Gespensterstadt, in der du der einzige lebendige Mensch bist, der König. Dieser Tage, da ich nichts zu tun habe, seitdem ich bei der Schreinerei rausgeworfen wurde, laufe ich gerne durch solche Gegenden, rauche dabei eine Zigarette, das ist eine Form, mich zu beruhigen oder zu entkommen, damit ich nicht den lieben langen Tag lang darüber grüble,wie zum Teufel wir mit dem Lohn meiner Frau und den paar Monaten, die ich noch Arbeitslosenhilfe kassiere, weiterkommen sollen. Wir hätten nicht den neuen Fernseher anschaffen sollen, unseren haben wir den Kindern überlassen, aber jetzt streiten sie ständig, weil jedes ein anderes Programm sehen will: das Heilmittel ist schlimmer als die Krankheit, sagt meine Frau, und teurer, füge ich hinzu, und sie wird noch ärgerlicher, denn das mit dem Fernseher war ihre Idee; wir hätten uns auch nicht den neuen Peugeot kaufen sollen, der Kauf schien notwendig, weil unsere Arbeitszeiten nicht mehr zu vereinbaren waren, als ich bei der Müllabfuhr aufhörte, damals arbeitete sie tagsüber und ich nachts, als ich aber bei der Schreinerei anfing, war das anders, ich musste
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