Am Ufer (German Edition)
Strahl, die superflachen Plasmafernseher sowie die Häuser und Gärten, zu denen wir nicht einmal zur Müllabholung Zugang hatten. Also sagte ich: Das einzige Reich, in dem wir Könige sind, ist das Reich des Mülls, und nicht mal das stimmt wirklich. Eigentlich sind wir Sklaven des Mülls, die Königin ist Esther Koplowitz, die Besitzerin der Firma, sie fährt die Aufträge ein. Ich würde gerne beauftragt werden, einigen dieser Knilche die Gärten zu säubern, aber nein, obendrein sind sie geizig und heuern Ukrainer, Rumänen an, denen sie zehn oder zwölf Euro pro Tag zahlen, Leute, die, nachdem sie die Rosen beschnitten und die Palmen gekappt haben, als gerechten Ausgleich für das ihnen geraubte Geld, mit eiserner Faust zuschlagen, ein Würgeholz oder ein Messer zum Einsatz bringen, um den Schmuck aus dem Safe und die Elektrogeräte der letzten Generation abzuräumen. Ein Akt, den Beichtväter und Richter Restitution nennen. Die Reichen geben vor, sich zu schützen, dabei zieht die Gefahr sie an, gerne bewegen sie sich auf Messers Schneide oder auf der gefährlichen Seite, wie es in dem Lied von Lou Reed heißt, das Esteban, wie er sagt, mag, tu-turu-turuturu. Bloß um ein paar Euro zu sparen, setzen sie sich den Dieb ins Haus; womöglich hat ihnen Gott oder die Natur oder wer auch immer diesen unkontrollierbaren Instinkt für die Zwangsaufteilung in die Gene gelegt, der ihren Geiz einschränkt. Die Reichen klauen gerne viel und finden es aufregend, dass man ihnen ein wenig stiehlt, ein Gefühl der Gefahr, das sie in ihrem Eifer bestätigt, alles unter Verschluss zu halten,das, was sie besitzen, mehr zu schätzen, das Gestohlene schnell zu ersetzen, es besser und sicherer zu verstecken und so die Beute zu vergrößern. Die Natur ist weise.
Das waren die Zeiten als Müllmann, später haben sie mich in derselben Firma zum Straßenkehrer gemacht, eine bessere Arbeit, sagte man mir, sauberer, feiner, Salontänze mit dem Besen: Damit haben sie uns hinters Licht geführt, als der Abteilungswechsel angekündigt wurde, von den nächtlichen Lasterfahrten zum täglichen Spaziergang mit dem Besen über der Schulter, man erklärte uns, das sei besser, ökologischer, nichts als die Kosten des tierischen Brennstoffs, ein Aufstieg, alles bestens, nur – und das sagten sie nicht, das bekamst du später mit –, es gab einen geringeren Stundenlohn, und von Überstunden war nicht mehr die Rede, und dabei sind die Überstunden der Schlüssel zu Berufen wie dem unsrigen. Du kannst von den knapp siebenhundert Euro Lohn nicht leben, aber klar, als Müllmann wurden dir öfter mal dreizehn oder vierzehn Stunden pro Woche extra berechnet, und das gab dann Geld, besonders im Sommer mit den Touristen, den Bars und den Imbissständen, oder bei den Volksfesten mit den Jahrmarktsbuden und den Flaschenpartys der jungen Leute auf offener Straße, bis der neue Bürgermeister kam, der, wie uns in der Firma gesagt wurde, nur nach einem Vorwand suchte, um die Abfallbeseitigung einem befreundeten Unternehmen zuzuschanzen, jeder Bürgermeister ist der Agent von jemandem, und wenn ein neuer kommt, will er die Seinen an die Futtertröge bringen (so wurde uns das erklärt, als ob irgendjemand daran glaubte, dass man den Schwestern Koplowitz, die durch ihr Unternehmen FCC agieren, hier in Olba, in Misent, im ganzen Gebiet und in halb Spanien, den Vertrag kündigen könnte), was uns auch erzählt wurde (es blieb uns nichts anderes übrig, als es zu glauben), war, dass der neue Bürgermeister gesagt habe, dass es geradezu skan-da-lös sei, dass da fast jeden Tag zwei bis drei Überstunden gutgeschrieben würden, also wurden radikal die Stunden beschnitten, sogar ein paar Leuten gekündigt, und uns machte man, ob wir wollten oder nicht, zu Straßenkehrern. So ist das gelaufen. Damit setzten sie dir den Lohn auf dieHälfte oder weniger als die Hälfte herunter; und ich konnte mich noch nicht einmal beklagen, ich hatte Glück, weil ich meine Stellung behalten hatte, denn über ein Drittel der Belegschaft wurde gekündigt. Wir werden die Rechte und die langjährige Betriebszugehörigkeit der Verbliebenen respektieren, hieß es, auch die familiäre Situation, also habe ich, der ich drei Kinder habe, die Arbeitsstelle quasi als Geschenk der Firma behalten, aber klar, indem sie mich vom Müllmann zum Straßenkehrer beförderten, haben sie mir die Überstunden genommen: Die Arbeit war nicht unangenehm, ruhiger, nicht mehr dieses nervöse Raufund Runterspringen,
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