Am Ufer (German Edition)
Fläschchen Blut entnommen hat, für den Fall, dass es zu einer Heiligsprechung kommt, und das wird es. Wie soll man denjenigen nicht zum Heiligen machen, der als Sieger aus dem Zusammenstoß zweier Heere hervorgegangen ist, die jeweils Hunderte von Millionen Soldaten stark sind, die christliche Armada gegen Atheismus und roten Terror; wenn dir ein solcher Sieg nicht einen Platz im Heiligenkalender sichert, was dann? Die Geschichte mit Papst Leo, der Attila aufhält, ist dagegen ein Scherz. Das Geschwür des Kommunismusvom Angesicht der Erde entfernen, hieß es bald. Wenn man bedenkt, dass vor nicht allzu langer Zeit mehr als die Hälfte der Bewohner dieses Planeten Kommunisten waren oder kurz davorstanden. Wir haben es vergessen, aber damals in den Sechzigern und Siebzigern segelte die Münze noch in der Luft« – das sagt er, der genau darauf geachtet hat, auf welche Seite sie fiel. Einen Fuß in der KP und den anderen bei den Sozialdemokraten. Er immer zwischen Pinto und Valdemoro.
Justino bewegt den Kopf rauf und runter, gibt ihm recht:
»Ich habe darüber gelesen. Die Zeitungen haben von ein paar Röhrchen Blut geschrieben, dem Mann entnommen, der eine Schlacht geschlagen hat, bei der er dreihundert oder vierhundert Millionen Gefangene gemacht hat: vierhundert Millionen Wölfe, umgewandelt in Arbeitskraft zu Schnäppchenpreisen. Das hat die Weltwirtschaft umgekrempelt. Die Krise, die wir jetzt durchleben, ist nicht mehr als die endgültige Justierung dieser neuen Legion von Werkzeugmenschen, die auf der Suche nach einem Eigentümer sind, der sie zum Produzieren einstellt.«
»Der kommunistische Bruder Wolf wird Vegetarier und frisst Heu aus den Händen eines Friedensmannes, Wojtyla, der neue Franz von Assisi.« Das sagt Carlos mit ironischem Unterton: Er zeigt deutlich, dass er strikt laizistisch ist. Ich stelle mir vor, wie er schnell wie ein Damhirsch vor einer hypothetischen kommunistischen Hundemeute flieht, die ihm jetzt doch so ans Herz gewachsen zu sein scheint. Mit der Hundertschaft von Zwangsräumungen, die er unterschrieben hat, glaube ich nicht, dass er den Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Oder wird er am Ende Staatssekretär im Wirtschaftsministerium der neuen Regierung? Für einen Minister ist er nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt, obwohl man bei diesen stillen Wassern nie weiß.
Ich:
»Die Kommunisten: Arbeitskraft, die schreiend danach verlangte, ausgebeutet zu werden. Sie haben es bekommen.«
Bernal kehrt zum Ausgangsthema zurück:
»In die Geschichte eingehen als Der Selbstmordattentäter wäre ja nicht schlecht, wenn du der Einzige wärest, der auf die Idee gekommen ist, aber es gibt ja jeden Tag Dutzende von Individuen, die sich an irgendeinem Ort der Welt in die Luft jagen. Außerdem, was ist das schon für ein Trost: Du krepierst und kannst nicht zurück in dein Viertel und dich dafür beglückwünschen lassen, dass man dich in den Nachmittagsnachrichten gesehen hat. Um Selbstmörder im Dschihad zu werden, muss man schon sehr verbittert sein oder sehr stark an Gott glauben.«
»Alles beides«, sagt der von der Sparkasse.
Justino schließt sich an:
»Und dazu noch sehr bösartig sein. Die Attentate der Marokkaner haben die Latte sehr hoch gelegt. Eine Bombe, die ein halbes Dutzend Menschen tötet, ist nicht der Rede wert. Du musst schon mindestens ein halbes Hundert mitreißen, damit du ein paar Minuten im Fernsehen bekommst oder ein Foto in den Zeitungen, egal ob die Bombe vor einer Kaserne in Karatschi, einem Flughafen in Moskau oder in einem Metrowaggon in Madrid losgeht; mit Madrid sicherst du dir die Schlagzeilen in Spanien, klar. Aber ich weiß nicht, wie das in Karatschi, Lahore oder in Kabul aussieht, vielleicht werden diese Gemetzel, da langweilig geworden, nicht einmal mehr in der Zeitung gebracht. Man käme ja mit der Papiererzeugung nicht nach, wollte man über jedes Massaker berichten. Dutzende, Hundertschaften töten. Selbst die Drogenhändler haben sich von diesem medialen Furor anstecken lassen. In Mexiko kommen sie schon auf 50.000 Tote bei den Kämpfen zwischen den Rauschgiftbanden. Sie wollen, dass von ihnen gesprochen wird. Der Einzelmord ist inzwischen so etwas Schäbigem wie der häuslichen Gewalt vorbehalten; aber nicht mal das, denn da gibt es solche, die, wenn sie schon mal das Gewehr aus dem Schrank geholt haben, die Gelegenheit nutzen, um das Haus von Kindern, Stiefkindern, Schwiegereltern zu säubern und den neuen Liebhaber der Ex und sogarden
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