Am Ufer (German Edition)
ein Kartenspielchen macht, kannst du treffen, wenn du übers Land spazieren gehst, er läuft schnellen Schrittes den Strand von Misent entlang, wandert über die Hänge des Montdor, stützt sich mit einem Stock ab, und dabei ist der Montdor reines Steingeröll, mit Dornendickicht bekleckst, ein geeignetes Dekor für jene Passionsspiele, die es während der Osterzeit in vielen Ortschaften gibt, der unwirtlichste Ort, den man sich vorstellen kann, dieser schwindelerregende Abhang von fünfundvierzig oder fünfzig Grad, die spitzen, rutschigen Kalkfelsen, dazwischen Dornengewächse aller Gattungen, die die Naturhervorgebracht hat, Disteln, Stechginster, Steineichenbüsche, was weiß ich. Von der Terrasse unseres Hauses aus sehe ich ihn manchmal morgens in Richtung Berg stapfen, mit raushängender Lunge, so nehme ich an, klettert er diesen steilen Hang hoch, er ist zum Liebhaber des Landlebens und zum Bewahrer der Traditionen und ihrer Symbole geworden: der raue heilige Berg, die Erde, gedüngt von den Knochen seiner Vorfahren – besser gesagt, von dem Wild, das seine Vorfahren jagten, das sein Vater jagte, irgendetwas davon ist sicher noch dort, Knochen, die im Boden zergehen –, eine Berg- und Meerlandschaft, terrassierte Trockenkulturen und bewässerte Ebenen über einem Grund von Meer und Marsch; schon unsere Vorfahren kochten Suppigen Reis mit weißen Rüben, Schweinefuß und Blutwurst, und zwar mehr oder weniger so wie heute, er schreibt an einem Buch, in dem er das dokumentieren will, Zeichen, in denen sich die Mentalität niederschlägt, der Volksgeist, die Heimat, in die der Pilger schließlich als Rentner zurückgekehrt ist: Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen (in dieser Version haben wir in der Schule zusammen den Chor der Pilger gesungen, die am Ende des Tannhäuser endlich auf Rom blicken; wir haben auch die Falange-Lieder
Cara al Sol
und
Montañas Nevadas
gesungen, das war Pflicht, mein Vater schnaubte, aber es gab keine andere Schule), die Erde, die der Mensch in Besitz genommen hat, die Kultur, die er entwickelt hat, die Steinterrassen und den Reistopf, und die Anis liköre und die Kräuterschnäpse, die Orangen- und Pampelmusenhaine und die Gemüsegärten mit den grünen Bohnen, die sich um Bambusrohre ringeln, und die Saubohnenfelder, flachgelegt vom Regen, den der Wind von der Levante übers Meer bringt. All das schreibt er auf. Wie ich schon sagte: die endlosen Essen mit den örtlichen Honoratioren, dem kürzlich verschwundenen Pedrós, dem aalglatten Justino; dazu Carlos, Leiter der Sparkassenfiliale, der behauptet, sich um die Versetzung nach Olba bemüht zu haben (wo er doch Misent hätte fordern können), um mit der Natur in Kontakt zu sein und vor allem – das sagt er nicht – weil in Misent eineVilla, wie er sie am Montdor hat, ein Vermögen kosten würde; Mateu, der Obst- und Gemüse-Exporteur, der halb Europa beliefert, Bernal, der den Sumpf mit seiner Teerpappe kontaminiert hat (wie viele Jahrhunderte braucht es, damit dieser giftige Asbest verschwindet?), die abendlichen Spielchen in der Bar Castañer, wo sich die Crème von Olba versammelt, d.h. Inhaber von Immobiliengeschäften, von Autovertretungen, Supermärkten, kleineren Obstplantagen, gehobene Bankangestellte, Stadtbeamte; unternehmerisch aktiv in klaren oder dunklen Geschäften, eine Fauna so dornig wie die Flora im Vorgebirge des Montdor. Alle sitzen sie um die Marmortischchen, auf denen die Dominosteine hallen: Jener, der wie die Kennedys hatte sein wollen und verschwunden ist mit meinen Ersparnissen, der Menschenhändler, der die Hälfte der Einwohner von Olba zu Unbehausten macht (weh, diese im glücklichen Jahrzehnt fröhlich unterschriebenen Hypotheken), der Lehrer, der die Musikkapelle dirigiert, und zuweilen auch der sympathische und zerstreute Philosophieprofessor vom Institut in Misent, der hier lebt, weil – und da kommen der philosophische Epikureer und der mitleidslose Leiter der Sparkasse zusammen – dieser Ort friedlicher und ursprünglicher ist: die Heimat wiederum, beglückt darf nun dich o Heimat ich schauen, das Essenzielle des Landstrichs, verschleiert den ökonomischen Fakt, dass ein Haus in Olba genau die Hälfte von einem in Misent kostet; wie der Professor sind ei nige im behaglichen Ruhestand, andere – etwa der von der Sparkasse – in der ersten Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs. Eine Spielgemeinschaft von lokalem Ansehen, der sich der Schreiner anschließt; seitdem Francisco zurück
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