Am Ufer (German Edition)
Lebensmittelgeschäfte arbeiten nur mit halbem Dampf, überall gibt es Kündigungen und kaum Arbeit, und das wenige, was angeboten wird, ist miserabel bezahlt (in der Bar, beim Spielchen, sagt Justino, immer auf der Lauer: Die hat einen ordentlichen Hintern, die Kolumbianerin bei dir daheim), und wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich nicht sagen, dass mir Spanien wirklich gefällt oder dass es mir in diesem Land gut ergangen ist, ich will nicht klagen, aber es ist nicht so, wie ich es mir bei meiner Ankunft vorgestellt hatte, der Hintern sitzt ein wenig tief, aber überzeugend in diesen engen Jeans, man sieht die Ritze, lachen sie, die Hinterbacken stehen raus, man merkt, die sind ordentlich fest und drücken gegen den Stoff. Sieht so aus, als ob gleich die Hose platzt. Ich weiß nicht, wie diese Miststücke sich da reinpressen. Macht sie dich auch ein bisschen nass, wenn sie deinen Vater wäscht?, höhnt Bernal, wechselt sie dir die Windeln? Kommt sie mit dem Schwamm? Trocknet sie dich, reibt sie oder macht sie dich nur feucht?, und ich finde es überhaupt nicht witzig, wenn sie so über Liliana sprechen, nein, es ist mir wirklich nicht sehr gut ergangen, ich sag das nicht wegen Ihnen, Sie sind wie ein Vater fürmich, aber seitdem ich hier im Land bin, ist alles ein Versprechen auf etwas, das angeblich kommt, aber immer noch hinter der Straßenecke lauert, wenn ich dem Alten den Teller mit dem Gemüse hinstelle, das Omelette mit Petersilie (
aux fines herbes
, heißt das in den französischen Restaurants, Vater) oder den gekochten Schinken und die Tasse mit der Milch, habe ich sie mit am Tisch, als hätte sie mir beigebracht, wie man Tasse, Teller und Besteck hinlegt, ja, Señor Esteban, besonders am Anfang habe ich das Gute förmlich gerochen, als endlich mein Mann und meine Kinder kamen und ich mit dem Jüngsten schwanger wurde, aber das Gute, das sich ankündigte, ist nicht gekommen: Ich war so aufgeregt, wie man ist, wenn man weiß, das Glück ist im Anmarsch, aber das wahre Glück ist nicht gekommen, ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen: nur dieses und jenes, als wir das Auto kauften, als wir die Wohnung anzahlten, oder wenn wir die Kinder bei der Nachbarin ließen, um tanzen zu gehen, aber ansonsten ging es immer nur darum, Schwierigkeiten zu meistern, es waren alles nur Vorbereitungen, so war es, Señor Esteban, sagt sie, alles wurde immer nur schlechter, wir haben nicht mal mehr Geld bis zum Fünfzehnten; ich daraufhin: Ja, meine liebe Liliana, so ist das manchmal, du fühlst das Glück, wenn du denkst, dass es kommt, du fühlst es voraus, und dann stellt sich heraus, es ist an dir vorbeigegangen, dir enteilt, ist nicht mehr da. Die Stimme süß wie Zimt kehrt zurück, während ich ihn abtrockne, nachdem ich ihn unter der Dusche abgerieben habe: der kalte Körper meines Vaters als paradoxes Behältnis, das die Wärme ihrer Hände bewahrt: über dieses bleiche Fleisch, über diese Reliefkarte aus starren Sehnen und schlappen Muskeln, über diese unregelmäßigen Oberflächen voller Flecken – jede Menge schwärzlicher, violetter, gelblicher Inseln, in etwa wie eine Karte von Melanesien oder Mikronesien –, über diesen Leib strichen täglich ihre Hände, sie haben ihn angesteckt; ich möchte sie vergessen, nein, Verzeihung, Sie müssen das Laken an den Zipfeln nehmen, und ich nehme die anderen hier, ja, sehr gut, und jetzt zu mir, ich will sie vergessen, ihre Handkantestreift die meine, sie ist weich, ein bräunlicher Ton, sie ist warm, so wie ich die Gespräche mit dem Steuerberater, mit den Finanzbeamten, mit dem Leiter der Sparkassenfiliale vergessen will, der mir abends in der Bar begegnet, als habe sich nie eine Szene zwischen uns abgespielt; den Kopf freibekommen von den Diskussionen mit Joaquín, Álvaro, Julio, Jorge, Ahmed, und vor allem sollen diese letzten Szenen aus meinem Gedächtnis verschwinden, wo mir jeder Einzelne von ihnen allein im Büro gegenübersaß.
Sie hat mich nie gekränkt, in all diesen Jahren hat sie mich nicht gekränkt. Weder mit Worten noch mit Taten. Glaubst du, das ist normal bei Paaren? Ich weiß nicht, ob es Liebe war, was sie mir entgegenbrachte, ich habe sie bis zum Wahnsinn geliebt, liebe sie noch, aber ein wenig muss auch sie mich geliebt haben, dass sie es in einer so langen Zeit nie an Respekt mir gegenüber hat fehlen lassen. Dass sie den Beruf hatte, den sie hatte, steht auf einem anderen Blatt. Hat nichts damit zu tun. Sie ging jeden Abend aus dem Haus und kam
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