Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
auch hinten im Bus hören kann. »Die Deutschen sind jetzt die Chefs. Sie zahlen euch. Aber unsere Landsleute schulden euch das Geld für den April.«
Und den März, denkt Kimi.
Er hat seinen Freund verraten. Er denkt an Adrian. Sieht die blutige Masse, die einmal sein kluges, freundliches Gesicht gewesen war. Aber was sollte er tun gegen die brutale Übermacht? Er ist allein. Er kann nichts tun. Er wird nicht den Helden spielen. Er senkt den Kopf. Der Säbel schlägt nicht das Haupt ab, das sich beugt.
Doch er steht trotzdem auf. Er spürt, wie die Beine nachgeben. Er muss sich mit der linken Hand an der Lehne abstützen.
»Adrian braucht einen Arzt«, sagt er – nicht laut, aber doch so, dass jeder es hört. »Toma, was geschieht mit Adrian? Er braucht einen Arzt.«
Er erschrickt über seine Stimme. Sie klingt so dünn. Er hat immer eine kraftvolle Stimme gehabt. Eine schöne Singstimme. Jetzt klingt sie, als habe jemand mit dem Messer ein Stück davon abgeschnitten.
Er räuspert sich, die Finger in die stützende Lehne gekrallt.
»Toma, was ist mit Adrian? Er braucht einen Arzt.«
Er sieht, wie die beiden Wikinger neben Toma aufblicken. Einer sagt etwas zu Toma. Und er sieht aus dem Augenwinkel, wie Viktor und Vasile die Köpfe senken. Von ihnen wird er keine Unterstützung erhalten. Aber er muss wissen, was aus Adrian wird.
»Adrian ist selbst schuld. Er hat euch aufgehetzt. Er ist schuld, dass die Deutschen so schlecht gelaunt sind. Setz dich wieder hin, Kimi. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Du siehst schon so schlecht genug aus.«
»Kümmert sich jemand um Adrian?«
Einer der Wikinger fragt Toma etwas auf Deutsch und deutet dabei auf Kimi.
»Setz dich!« Toma schreit ihn an, dann sagt er etwas zu dem Wikinger.
Kimi will sich setzen, doch sein Rücken brennt wie Feuer. Sein Körper gehorcht nicht. Er fürchtet sich vor dem Schmerz, den jede Bewegung auslöst.
»Setz dich, du verdammter Idiot.«
Er will sich setzen, aber sein Körper gehorcht nicht.
Einer der beiden Wikinger vorne sagt etwas zu dem Busfahrer. Der Fahrer nickt, bremst ab und lenkt den Bus an den Straßenrand. Fauchend öffnet sich die vordere Tür, als der Bus steht. Der Wikinger kommt breitbeinig auf Kimi zu. Kimi wirft sich auf seinen Sitz zurück und senkt den Kopf. Der Schmerz im Rücken ist durchdringend und sengend.
Jetzt steht der Wikinger vor ihm, seine Faust greift in sein Haar und zieht ihn einfach hoch. Er hört das eklige, kratzende Geräusch auf seiner Kopfhaut, als Haarbüschel herausgerissen werden. Kimi schreit, er schreit, so laut er kann. Aber er hört sich fast nicht. Der Wikinger zieht ihn hinter sich her zur Vordertür und stößt ihn hinaus. Er stürzt auf den Boden und sieht den riesigen Rocker auf sich zukommen. Er rappelt sich auf. Aus der hinteren Tür steigen die drei Rocker aus, die auf der Rückbank saßen. Einer klatscht den Baseballschläger in die Hand.
Der erste Rocker tritt ihn in die Rippen, und die Wucht des Trittes schleudert ihn rückwärts gegen den Bus. Kimi rutscht, den Rücken gegen den Bus gepresst, auf den Boden. Dort bleibt er liegen. Die anderen drei sind jetzt ganz nahe. Er vergisst seinen Schmerz und dreht sich einmal um die eigene Achse und robbt unter den Bus. Er robbt so schnell er kann; krallt sich mit den Händen in die Graswurzeln, zieht sich daran voran, duckt und rollt sich in die Mitte unter das Wagenblech.
Die Wikinger bücken oder knien sich hin, um unter den Bus zu sehen. Einer stochert mit dem Baseballschläger nach ihm, aber der ist viel zu kurz. Der Rocker, der ihn aus dem Bus geschleift hat, versucht, sich unter den Bus zu zwängen. Doch er ist zu fett. Er flucht, aber es hilft nichts. Kimi atmet schwer. Er riecht Benzin und Erde. Und er hat Todesangst. Draußen hört er, wie sich die Rocker auf Deutsch beratschlagen. Er versteht kein Wort.
Dann wird plötzlich der Motor gestartet. Das Bodenblech vibriert. Es versetzt ihm leichte Stöße auf den Rücken, jeder Stoß eine Explosion. Der Bus fährt an. Kimi greift in das Gestänge des Rahmens, findet Halt, klammert sich fest. Jetzt wird er mitgeschleift. Die Schmerzen rauben ihm den Verstand. Der Bus bleibt stehen. Wieder bücken sich die Wikinger und sehen unter den Bus.
Da lässt Kimi das Rahmengestänge los und kriecht nach vorne. Schnell, so schnell er kann, robbt er auf den Ellbogen, zwängt sich unter dem Bus hervor und rennt und rennt, die Augen voll Tränen. Er rennt, bis sein Körper
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