Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
aufgibt und er der Länge nach hinfällt. Er wartet, dass die Rocker kommen und ihn totschlagen.
Dann verliert er das Bewusstsein.
19. Hof des Bauern Zemke, Nähe Oldenburg, frühmorgens
»Um Gottes willen, was haben sie mit dir gemacht?« Laura umarmt Jakob, als der Fette ihn in ihr Gefängnis zurückstößt.
Wie warm ihr Körper ist! Plötzlich durchfährt ihn die verrückte Idee, der Wahnsinn der letzten Stunde sei wegen dieses einen Moments geschehen, für diesen wunderschönen Augenblick, in dem Laura sich an ihn drückt. Schnell macht er sich von ihr los und wendet sich an Simon: »Sie wollen die PIN -Nummer. Gib sie ihnen. Und diskutier nicht mit ihnen. Es hat keinen Zweck.«
Simon nickt und geht unsicher zur Tür. Der Fette grinst, sagt: »So ist’s brav«, und schließt die Tür hinter Simon ab. Laura kramt aus ihrer Tasche ein Papiertaschentuch hervor und tupft vorsichtig das Blut von Jakobs Gesicht.
»Tut’s weh?«
Jakob schüttelt den Kopf, obwohl sein Gesicht höllisch brennt. Er möchte nicht, dass Laura damit aufhört. Es ist schön, wenn sie so dicht bei ihm steht. Doch plötzlich fällt ihm etwas ein, und er geht einen Schritt zurück.
»Die Typen sind richtig dumm. Sie tragen keine Masken oder Ähnliches. Wir können sie bei der Polizei genau beschreiben.«
»Wahrscheinlich hat die Polizei sowieso Fotos von ihnen«, sagt Cem.
»Sie werden das büßen«, sagt Laura und tupft weiter in Jakobs Gesicht.
Ich bin mir nicht sicher, will Jakob sagen, aber er hält den Mund.
Nach ein paar Minuten bringen die Rocker Simon zurück. Er ist unverletzt.
»Das ist ein Scheißgefühl, diesen Verbrechern einfach zu sagen, was sie wollen«, sagt er und setzt sich wieder auf den Boden.
»Sie werden das büßen«, wiederholt Laura.
20. Stuttgart, Denglers Schlafzimmer, frühmorgens
Irgendwann erlosch die Sehnsucht nach Hildegard. Sie wurde ersetzt durch Wut. Die Wut währte lange, dann erlosch auch sie. Sie wurde ersetzt durch Gleichgültigkeit.
Manchmal hätte er sich gewünscht, sie wäre durch Freundschaft ersetzt worden. Aber dazu stritten sie zu oft. Dazu rief sie ihn viel zu oft mitten in der Nacht an.
Dann kam Olga.
Er stellt sich ihren Körper vor.
Ihre Wärme.
Er geht ins Bad und schaut in den Spiegel. Der unrasierte Mann mit den tiefen Falten um die Mundwinkel, der Mann mit den rot geränderten Augen, das ist er.
Er ist eine Zumutung für jede Frau. Das weiß er. Er geht aus dem Bad zurück ins Schlafzimmer und legt sich ins Bett. Er will nur noch schlafen. Merkwürdig, dass die Liebe zu einer Frau verblassen kann, aber die Liebe zu seinem Sohn würde nie enden. Menschen sind seltsame Wesen.
Jakob ist jetzt 18 Jahre alt. Er ist ein Mann, ein junger Mann, noch unerfahren in vielen Dingen des Lebens. Man sieht ihm den Jungen noch an, der er noch vor Monaten gewesen ist. Aber er geht schon seiner eigenen Wege. Und Dengler ist entschlossen, ihn dabei zu unterstützen. Hildegard akzeptiert nicht, dass er ein Mann wird. Sie glaubt, Jakob wird immer ein kleiner, abhängiger Junge sein. Jetzt ist er zu seiner ersten großen Reise aufgebrochen. Mit drei Freunden ist er nach Barcelona gefahren. Jakob hat ihm von der Reise erzählt. Sein Sohn wird viel erleben. Er wird neue Dinge sehen. Er wird noch weniger der kleine Junge sein, wenn er zurückkommt. Hildegard muss lernen, damit zurechtzukommen. Er kann ihr dabei nicht helfen.
Und während der Regen gegen das Fenster prasselt, denkt er an Olga und freut sich auf das Frühstück mit ihr.
21. Hof des Bauern Zemke, Nähe Oldenburg, morgens
»Falls ihr brunzen müsst.«
Der fette Rocker grunzt und stellt ihnen einen Eimer mitten in den Raum. Dann stellt er zwei Plastikkanister daneben.
»Wasser.«
In der Tür steht Dschingis Khan mit einem Baseballschläger, er wippt auf den Fersen hin und zurück und schlägt sich das Holz in die linke Handfläche. Es erzeugt ein hässliches, klatschendes Geräusch. Dann wird die Tür wieder verschlossen.
Laura stöhnt.
»Wir drehen uns alle um, wenn du musst.« Cem deutet auf den Eimer.
Keiner reagiert. Nicht einmal Simon lächelt.
»So eine gottverdammte Scheiße«, sagt Cem. »Woher wussten die bloß, wo ich mich versteckt hatte?«
»Die lassen uns bestimmt bald laufen. Spätestens gegen Mittag. Die wollen uns nur einen Schreck einjagen«, murmelt Simon.
»Wir brauchen die Filmausrüstung wieder«, sagt Jakob.
»Freiheitsberaubung. Das ist echt krasse Freiheitsberaubung«, sagt Laura. »Dafür
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