Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
zweiten Mal sahen, ging sie mit zu ihm, und als sie in seinem Bett auf ihm saß, war er überrascht, dass eine Frau ihn mit solcher Zärtlichkeit lieben konnte. Alles passte zusammen. Alles.
Marlies war sauer. Sie machte ihm Vorhaltungen.
»Hat er sich strafbar gemacht?«, fragt Hildegard. »Hallo, Georg, du hörst mir nie zu. Hat sich unser Sohn strafbar gemacht?«
Er schüttelt den Kopf. »Es ist nicht illegal. Der Geschäftsführer dieses Vereins hat mir das so erklärt: Die Ermittlertrupps begehen keinen Hausfriedensbruch, weil hinter ihrer Aktion ein höherrangiges Recht steht: der Tierschutz. Allerdings gehen sie nur in die Ställe, wenn die Türen offen sind. Sie brechen nichts auf. Sie beschädigen keine Zäune oder Anlagen. Sie beschädigen nichts. Das alles wäre strafbar. Sie erschrecken nicht einmal die Tiere. Sie verwenden aus diesem Grund Infrarotkameras. Ihre Ermittlungsergebnisse stellen sie den Staatsanwaltschaften zur Verfügung. Es geht ihnen um das Wohl der Tiere. Jakob hat nichts Illegales getan.«
»Und warum hat er mir nichts davon erzählt?«
»Mir hat er auch nichts erzählt. Oder ich habe ihm nicht zugehört. Wenn er bei mir war, hat er auch kein Fleisch gegessen. Sogar als wir letztes Mal zu meiner Mutter in den Schwarzwald gefahren sind, wollte er, dass sie kein Huhn mehr schlachtet. Die Hühner meiner Mutter sind die besten der Welt, das weißt du ja. Ich hielt das für eine Modeerscheinung. Wie Rap-Musik. Ich meine, vielleicht hab ich nicht genau genug zugehört. Er hat es wahrscheinlich irgendwann aufgegeben, mit mir über diese Dinge zu reden. Was für ein Scheißvater bin ich.«
»Was tun wir jetzt?«
»Ich werde herausfinden, wer mit seinem Handy Nachrichten verschickt.«
»Kann es denn nicht sein, dass sie jetzt in Barcelona sind und dort in irgendwelche Ställe einbrechen?«
Sie sieht auf, beugt sich vor und greift nach Denglers Hand. »Georg, vielleicht wollen sie etwas gegen den Stierkampf in Spanien unternehmen. Das könnte doch sein.«
»In Barcelona gibt es keinen Stierkampf mehr. Den haben die Katalanen ganz ohne unseren Sohn abgeschafft.«
»Du findest ihn, verspricht du es?«
»Das Ermittlungsteam dieses Tierrechtsvereins besteht aus vier Personen. Bis auf einen türkischen Jungen namens Cem stehen die anderen auf der Liste, die du mir gegeben hast.«
»Wirst du ihn finden?«
»Ich werde wahrscheinlich nach Barcelona fliegen.«
39. Bad Teinach, Hotel Schröder, vormittags
Julia schwimmt.
Bahn für Bahn zieht sie in dem großen, schönen Bad.
Christian Zemke sitzt im Liegestuhl und sieht ihr zu. Wie soll er es ihr sagen? Sie hat ebenso hart gearbeitet. Seite an Seite mit ihm. Sie haben ihre Sorgen geteilt und die wenigen Freuden. Sie hat zwei Kinder großgezogen. Neben der Arbeit im Stall hat sie gekocht, gewaschen, gebügelt. Wie soll er ihr sagen, dass der Hof bald nicht mehr ihm gehört? Eigentlich gehört er doch auch ihr …
Ich kann es ihr nicht sagen. Sie wird es erfahren, wenn ich tot bin und sie das Erbe antreten wird. Die Kinder werden es auch nicht vorher erfahren.
Die beiden Söhne. Carsten und Jens. Zwei ganz verschiedene Kinder. Jens wollte nie Bauer werden. Schon als Kind zeigte er nicht das geringste Interesse an Schweinen. Er hasste es, wenn er dem Vater im Stall helfen sollte. Er weinte, wenn die Tiere zum Schlachten abgeholt wurden. Jetzt wohnt Jens in Berlin. Er ist Innenausstatter geworden. Lebt in einer Wohngemeinschaft. Sie haben ihn dreimal besucht. Wenn sein Sohn ihm den Wedding gezeigt hat, wo die Wohngemeinschaft eine Fünfzimmerwohnung gemietet hat, sah er nur Araber, Türken, Russen. Niemand sah aus wie Jens. Und wie er selbst schon erst recht nicht. An jedem dritten Haus stand: »Automaten-Kasino, 24 Stunden geöffnet«.
»Wieso spielen denn hier so viele Leute an Automaten?«, hatte er seinen Sohn gefragt.
Doch der hatte nur gelacht. »Geldwäsche, Papa, die sind nur zur Geldwäsche da.«
Manchmal fragte er sich, ob sein Sohn schwul war. Das war ein sehr unangenehmer Verdacht. Er sprach mit Julia darüber, doch die schüttelte nur den Kopf. Und wenn, sagte sie. Was war das für eine seltsame Welt? Er atmete jedes Mal freier, wenn er Berlin wieder verlassen hatte.
Alle seine Hoffnungen hatten sich auf Carsten gerichtet, den ältesten Sohn. Doch auch Carsten wird den Hof nicht übernehmen. Er studiert Agrarwissenschaften in Hohenheim. Aber er hat diese Bio-Flausen im Kopf. Sie schreien sich jedes Mal an, wenn er in den
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