Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Semesterferien zu Hause ist. Das letzte Mal hatte Carsten ihm gesagt, er würde nichts anderes betreiben als Tierquälerei. Und er, der so stolz auf den modernen Betrieb war, hat ihn vom Hof gejagt. Den eigenen Sohn. Seither – nicht ein Wort.
Ich werde den Treuhandvertrag unterschreiben. Niemand wird davon erfahren außer der Bank. Der Steuerberater wird mich nicht verraten.
Ich bin kein guter Bauer. Ich dachte, ich sei schlau. Spezialisierung! Erst alles auf die Schweine gesetzt, dann alles auf die Puten. Ich habe vergessen, dass andere schlauer sind als ich. Und denen wird in wenigen Tagen der Hof meines Vaters gehören.
Er schaut Julia zu, die am Ende des Beckens wendet und in energischen Stößen eine neue Bahn zieht. Er bringt es nicht übers Herz. Es ist entschieden. Ich werde ihr nichts sagen.
Diese Entscheidung erleichtert ihn. Sie werden ja weiter auf dem Hof leben. Er ist nur kein freier Bauer mehr. Julia wird nie erfahren, dass sie die Frau eines Knechts ist.
Knechte haben ein Recht auf Urlaub. Er wird die Tage mit Julia genießen. Der erste Urlaub seit so vielen Jahren.
Er sieht seiner Frau zu, wie sie schwer atmend das Becken verlässt und sich unter die Dusche stellt. Sie sieht zu ihm hinüber, und Christian Zehmke wird es warm ums Herz. Er hat keinen Hof mehr, aber er hat noch diese Frau. Und das Leben wird weitergehen.
Irgendwie.
Er wappnet sich, denn sie kommt jetzt mit großen Schritten auf ihn zu. Er lächelt, und dieses Lächeln ist echt.
Sie setzt sich in den Liegestuhl ihm gegenüber und legt das Handtuch um ihre Schultern. »Was ist eigentlich los, Christian?«, fragt sie.
Er lacht verzerrt. »Was soll los sein, Julia? Nichts ist los, außer dass wir jetzt Urlaub haben. Das ist los. Endlich.«
»Halt mich nicht für blöd. Du liegst nachts wach. Du läufst umher. Du bist eigentlich gar nicht hier. Wir haben gar nicht das Geld für dieses wunderbare Hotel. Was also ist los?«
Tränen steigen ihm in die Augen. Er sieht seine Frau an. Dann beginnt er zu erzählen.
40. Hof des Bauern Zemke, Nähe Oldenburg, vormittags
»Duschen. Zuerst der Türke.«
Das Walross steht in der Tür.
»Wann können wir hier weg?«, ruft Laura.
»Türke, komm her! Sonst bleibst du so dreckig, wie du bist.«
Cem steht auf und geht.
»Es hat aufgehört zu regnen«, sagt Laura. »Ich höre keinen einzigen Regentropfen mehr aufs Dach prasseln.« Dann unvermittelt: »Hoffentlich tun sie Cem nichts an.«
Cem war als Letzter zu ihrer Gruppe gestoßen. Jeden Donnerstagabend trainierte er mit Simon anderthalb Stunden Handball in der Sporthalle des Karls-Gymnasiums. Cem ist ein großartiger Kreisläufer. Simon spielt meist in der Mitte. Simon hat die bessere Wurfhand, dafür ist der türkische Junge ein begnadeter Dribbler, schnell, wendig. Sie ergänzen sich perfekt. Simon hält sich bereit, beobachtet Cem, der Gegner schwindlig spielen kann. Irgendwann kommt die Flanke, Simon springt hoch, fängt den Ball und – Tor. Oft jedenfalls.
Cem ist der Rebell unter ihnen. Er ist zunächst einmal dagegen. Egal, was es ist oder wer einen Vorschlag macht – Cem ist erst mal dagegen. Gegen alles. So auch damals.
»Tierschutz – habt ihr einen an der Waffel? So was Blödes hab ich noch nie gehört.«
Cem hatte ein ganz anderes Problem.
»Also Leute, ich, also ich … ich hab noch nie in meinem ganzen stolzen Deutschtürken-Leben Schweinefleisch gegessen. Ich will das probieren. Wer macht das mit?«
»Wir essen keine Tiere«, sagte Laura spitz.
»Ich hör mir dann auch euren Tierscheiß in aller Ruhe an. Aber allein will ich das unter keinen Umständen machen.«
»Cem, Schweinefleisch ist keine Droge«, sagte Jakob. »Du bekommst davon keinen schlechten Trip oder so was.«
»Schlimmer. Für mich ist das schlimmer als Speed. Ich mach das nicht allein.« Er schüttelt sich. »Auf keinen Fall!«
»Hör mal …«
»Auf keinen Fall.«
»Wenn ich mit dir Schweinefleisch esse, dann hörst du uns zu, und zwar ohne was zu sagen, bis wir fertig sind, und dann denkst du darüber nach, was wir dir erzählt haben«, schlug Simon vor.
»Ohne was zu sagen?«
»Ohne was zu sagen.«
»Du bist echt hart drauf.«
»Ich esse auf keinen Fall Schweinefleisch«, sagte Laura.
»Hey, bist du jetzt Muslim oder ich?«
»Entscheide dich«, sagte Simon.
»Zweimal Schweineschnitzel«, sagte Simon ein paar Tage später zum Kellner beim Haxen-Willi.
»Für mich nur eine Cola«, sagte Julia, und Jakob erhöhte diese enorme
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