Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Jakob, fotografiert vor dem nächtlichen Panorama der Stadt. Jakob ist gut zu erkennen, seine Kontur hebt sich klar ab vor dem unscharfen Bild des Lichtermeers von Barcelona. Immerhin sind die Türme der Kathedrale Sagrada Família gut zu erkennen. Sein Sohn schaut etwas benommen in die Kamera, angespannt irgendwie, blass und schmal. Die rechte Hand steckt in einer Hosentasche, die linke hängt herunter. Dengler greift zum Handy und schickt seinem Sohn eine SMS :
Der Privatdetektiv Dengler stellt seine Ermittlungen ein. Genieß die letzten Tage. Gruß von deinem besorgten Vater
Die Antwort kommt prompt und besteht nur aus einem Wort.
Danke.
Dengler überspielt die Bilder auf seinen Laptop und vergrößert das Foto seines Sohnes. Der Gesichtsausdruck wirkt leer. Er betrachtet die herunterhängende linke Hand. Der kleine und der Ringfinger sind nicht sichtbar, weil Jakob sie in den Handteller zurückgebogen hat. Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger dagegen hängen herunter und zeigen auf den Boden.
Das war einmal ein Zeichen zwischen ihnen gewesen. Jakob hatte es im Kindergarten aufgeschnappt. Wenn die Finger zum Schwur zum Himmel zeigten, dann galt ein Versprechen auf jeden Fall, zeigten die Finger auf den Boden, so war der Schwur aufgehoben. Jakob nutzte diesen Trick als Kind, um hinter dem Rücken die drei Schwurfinger auf den Boden zeigen zu lassen und so die Einhaltung von Versprechungen zu umgehen. Eine Kindergeschichte eben.
Hier aber ist diese Geste ein Zeichen.
Er ist sich sicher.
Kein gutes Zeichen.
Monolog Carsten Osterhannes
Was Schweinefleisch betrifft, so haben wir in Deutschland einen Selbstversorgungsgrad von etwa 120 Prozent. Das heißt: 20 Prozent unseres Produktionsvolumens setzen wir auf den Weltmärkten ab. Wir sind eine Exportnation. Auch beim Fleisch.
Es ist für die Mäster nicht immer leicht einzusehen, aber es ist trotzdem wahr: Sie konkurrieren mit brasilianischen Bauern. Oder mit indischen. Und natürlich ist der Preis für den Absatz immer das entscheidende Kriterium. Auch hier gilt das eiserne Gesetz: Kosten durch Stückzahl. Wir verfolgen daher im Schweinesegment folgende Politik:
Erstens, wir zwingen die Schweinezüchter, mehr und mehr auf intensive Mästung mit 3000 und mehr Tieren umzustellen. Im Augenblick nehmen wir uns Bayern vor. In Süddeutschland gibt es noch viel zu viel romantische Landwirtschaft mit Weidehaltung von Rindern, Bauern mit weniger als 100 Schweinen. Misthaufenbauern, sage ich immer zu denen. Wenn alles gut läuft, sind die in fünf Jahren alle im Museum, aber nicht mehr im Stall. Erfreulich ist, dass die Stallbauförderung im Rahmen des Agrarinvestitionsförderungsprogrammes der Bundesregierung diesen unaufhaltsamen Prozess ziemlich machtvoll anschiebt.
Die Bauern, die ihren Betrieb umgestellt haben, müssen billiger liefern. Das wiederum bedeutet wie in jeder Industrie: Automatisierung. Automatische Fütterung, automatische Entsorgung. Das Ziel ist, dass die Maschinen alles erledigen und eine ungelernte Kraft für Tausende von Schweinen völlig ausreicht.
Entscheidend dabei ist die Beibehaltung der Subventionen durch die EU . Die Schweinemäster erzielen die Hälfte ihres Einkommens durch EU -Beihilfen. Anders ausgedrückt: Jährlich fließt etwa eine Milliarde Euro Beihilfe in die Fleischproduktion. 950 Millionen werden als Direktzahlung an die verschiedenen Produzenten verteilt, 50 Millionen holen wir uns selbst ab; also die großen Schlachtereien. Es gibt das wunderbare Programm »Marktordnung« der EU , im Grunde Barauszahlungen an uns. 2009 bekam mein Konzern 1,2 Millionen aus diesem Topf. Der Kollege Tönnies holte sich sogar 3,3 Millionen ab. Der Export von Schweinefleisch wird außerdem mit fast 25 Millionen Euro jährlich gefördert. Alles läuft bestens.
Daher lehne ich mich ruhig zurück, wenn Politiker über Landwirtschaft und edlen Bauernstand reden. Sie brauchen eine gewisse Rhetorik, klar, sie wollen ja gewählt werden. Solange die Gelder fließen, dürfen sie reden, was sie wollen – oder müssen.
Das System ist also gesund. Die intensive Fleischhaltung wächst in Deutschland Jahr für Jahr. Unaufhaltsam.
Mit dem Schwein ist es so: Wenn ich eines für meine Familie schlachte, hänge ich es für ein paar Tage auf – Fleischreifung, so wie es früher der Metzger machte. Ich will schließlich vernünftiges Fleisch essen. In Serie machen wir es heute natürlich anders. Durch das Reifen verliert das Fleisch Wasser und damit Gewicht.
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