Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Die Perversion der Züchtung ist, dass das Fleischwachstum vorauseilt und die Entwicklung des Skelettsystems und des Bewegungsapparates, aber auch des Herz-Kreislauf-Systems dem nicht folgen können.
Die Lebensdauer eines solchen Huhns beträgt 30 Tage. Kein einziger davon ist ein glücklicher Tag. Unmittelbar nach dem Schlüpfen wird dem Küken der Schnabel abgehackt bzw. mit einem Laserstrahl verstümmelt. Damit soll verhindert werden, dass die Hühner sich gegenseitig verletzen, wenn sie sich zusammengedrängt in den Mastanlagen picken.
In den Ställen, die wir gefilmt haben, leben 38000 Hühner dicht an dicht. Ich stelle mir vor, wie es für mich wäre, wenn ich Schulter an Schulter mit 37999 anderen Jugendlichen Tag und Nacht in einer Halle stehen müsste. Ohne Tageslicht. Die Lampen brennen immer, auch nachts. Der Stress würde mich nicht schlafen lassen. Damit ich nicht auf die neben mir Stehenden einprügele, wären meine Hände amputiert. Trotzdem schlage ich mit den Stümpfen auf andere ein, um ein bisschen Bewegungsfreiheit zu haben.
Damit ich nicht ausraste, bekomme ich im Trinkwasser Beruhigungsmittel verabreicht.
Nach allem, was ich gesehen und gelesen habe, weiß ich, dass Hühner und Puten den Stress ihrer Aufzucht nicht ohne Krankheiten überstehen können. Deshalb werden sie (und zwar ohne Ausnahme) mit Medikamenten vollgestopft. Antibiotika, Beruhigungsmittel aller Art werden ins Trinkwasser gekippt, und jedes Huhn, egal, ob krank, egal, ob gesund, nimmt diese Stoffe auf.
An einem heißen Sommertag im letzten Jahr erdrückten sich in Österreich 5000 Tiere bei dem Versuch, etwas Frischluft durch einen Türspalt zu erhaschen. Im Landkreis Kleve starben 4000 bis 6000 Puten mangels frischer Luft.
Industrielle Haltung macht die Tiere zwangsläufig krank. Massentierhaltung erfordert daher zwangsläufig massiven Medikamenteneinsatz. Hühner, die im Supermarkt verkauft werden, sind voll mit ESBL -Keimen. Der BUND untersuchte Hähnchenprodukte in deutschen Supermärkten und fand in jedem zweiten Hähnchen die gefährlichen Keime. Die Tester kauften Schenkel, Brustfilet, Flügel und Hühnerfrikassee in den Supermarktketten Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Real. Das Fleisch stammte von drei der größten Hähnchenproduzenten Deutschlands: Wiesenhof, Sprehe und Stolle.
Die nordrhein-westfälische Regierung kommt bei einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass 96,4 Prozent aller Masthähnchen mit Antibiotika gefüttert werden.
Durch den jahrzehntelangen massiven Einsatz von Antibiotika haben sich Krankheitskeime gebildet, die mit Antibiotika nicht mehr bekämpft werden können. Der BUND fand auch MRSA , sogenannte »Krankenhauskeime«, in dem Fleisch: Das sind Keime, die immun gegen Antibiotika sind.
Die Keime gelangen durch Mund und Nase in den Körper der Menschen und setzen sich dann im Darm fest.
Coli-Bakterien und weitere Keime leben normalerweise im Tierdarm. Während der Schlachtung und Verarbeitung gelangen sie auf die Fleischoberfläche. Wird das Fleisch gründlich gebraten oder gekocht, werden die Keime abgetötet. Sie sind jedoch nicht nur im Fleisch. Sie sind auch im Tauwasser, gelangen dann auf die Hände und über die Hände in nicht gekochtes Essen und damit in Magen und Därme der Menschen, wo sie sich festsetzen. Die Süddeutsche Zeitung zitiert Elisabeth Meyer von der Berliner Charité: »Wenn diese Keime in der Nase herumgetragen werden, macht das nichts. Aber sobald sie Infektionen von Harnwegen, Lungen oder Wunden auslösen, können sie lebensgefährlich werden.« Gefährlich wird es, wenn das rohe Fleisch mit kleinen Wunden, zum Beispiel an den Fingern, in Berührung kommt. Durch die Düngung mit Gülle kann außerdem auch Gemüse verseucht werden.
Das Bundesgesundheitsamt empfiehlt daher dringend, bei der Zubereitung von Puten und Hühnern Gummihandschuhe zu tragen.
Die Fleischindustrie vergiftet ihre Kunden.
»Schön, was dein Sohn da alles zusammengetragen hat.«
»Er und seine Freunde haben sich mit mächtigen Feinden angelegt. Das ist es, was mir Sorgen macht.«
»Und Putenfleisch?«
»Nie wieder.«
Sechster Tag
Freitag, 24. Mai 2013
73. Hof des Bauern Zemke, Nähe Oldenburg, nachts
»Laura, Schätzchen, wir kommen! Wir lieben dich.«
Die Tür ihres Gefängnisses fliegt auf. Fünf Rocker stehen in der Tür. Dschings Kahn ganz vorne, den Gürtel in der rechten Hand, schlägt damit klatschend in die linke Handfläche. »Rodeo, Laura!«, ruft er. »Rodeo!«
»Stopp!«,
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