Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
länger …« Dann breitet er die Arme aus. »Ach was, mein Sohn, niemals mehr musst du Zicklein essen. Nicht einmal, wenn ich selbst geschlachtet habe.« Tränen laufen ihm übers Gesicht.
Dengler schließt leise die Tür hinter sich.
124. Vernehmungsraum 1, Polizeipräsidium Berlin, nachmittags
»Also noch einmal. Wie ist Ihr Name?«
»Marcus Steiner, zum siebenhundertsten Mal. Und zum siebenhundersten Mal gleich mit: Ich heiße Marcus Steiner.«
»In wessen Auftrag waren Sie auf dem Hof des Bauern Zemke?«
Steiner schließt die Augen.
Sein Rechtsanwalt sagt: »Mein Mandant hat keine Hintermänner. Wir wiederholen das gerne. Und sehr oft.«
»Warum hat er dann den Chip seines Handys vernichtet?«
»Mein Mandant macht gerne ungewöhnliche Dinge. Deshalb ist er doch hier.«
»Sie haben mit einem ausländischen Prepaidhandy angerufen. Danach haben Sie das Feuer gelegt. Wem gehört dieses Handy?«
Marcus Steiner gähnt.
»Ich glaube, mein Mandant erinnert sich nicht.«
125. Vernehmungsraum 2, Polizeipräsidium Berlin, nachmittags
»Hör zu, Bruno: Du bist voll am Arsch. Mord, mehrere Mordversuche, Brandstiftung mit Todesfolge, Vergewaltigung – wir haben Zeugen. Die Kids haben überlebt. Sie sagen, du wärst einer von den besseren Scheißern gewesen. Das ist deine Chance. Ergreif sie. Sonst hockst du im Knast, bis du verfaulst. Wir bieten nur einem von euch die Kronzeugenregelung an. Du bist der Erste. Sei nicht bescheuert. Nur dieses eine Mal in deinem verpfuschten Leben: Sei nicht bescheuert.«
Bruno hört aufmerksam zu. Er kaut auf den Fingernägeln herum und sieht dabei den Vernehmungsbeamten an. Seine Augen glänzen. Dann legt er beide Hände auf den Tisch und sieht den vernehmenden Polizisten an. Und räuspert sich.
»Mein Mandant ist an Ihrem Angebot nicht interessiert«, sagt der Anwalt.
Alle Spannung weicht aus Brunos Gestalt. Mit einem Pfeifton atmet er wieder aus. Dann nimmt er seine rechte Hand und kaut wieder auf den Nägeln. Der Vernehmungsbeamte lehnt sich resigniert zurück.
126. Klinikum Oldenburg, nachmittags
Hildegard steigt aus dem Taxi.
Sie sieht ihren Sohn, läuft auf ihn zu und umarmt ihn. Tränen laufen ihr übers Gesicht, schwarze Fäden der verwischten Wimperntusche. Auch Jakob weint. Als die beiden sich lösen, umarmt Hildegard auch Laura. Dann sieht sie Dengler. Sie stehen einander direkt gegenüber, und etwas Fremdes und etwas Intimes ist zwischen ihnen.
Sie legt ihm eine Hand auf seine Schulter. »Ich wusste, dass du ihn findest«, sagt sie.
Dengler sieht Hildegard an, und jetzt, zum ersten Mal, denkt er, dass der Liebe, der Wut und der Gleichgültigkeit endlich Freundschaft folgen könnte.
Sie sieht Olga und geht auf sie zu.
Die beiden Frauen stehen sich gegenüber.
»Ich weiß, was Sie für meinen Sohn getan haben.«
Olga deutet ein Lächeln an.
»Ich danke Ihnen.«
Für einen Augenblick überlegt Olga, ob sie die ausgestreckte Hand annehmen soll, dann sieht sie in Hildegards Augen. Und plötzlich liegen sich die beiden Frauen in den Armen.
»Ist ja richtig peinlich. Langsam werden wir hier eine richtige Familie«, sagt Jakob leise zu Laura. Sie drückt ihm die Hand und geht zu ihrer Mutter und ihrem Vater, die in einigem Abstand warten.
»Nicht, dass ich stören will«, sagt der Taxifahrer, »aber irgendjemand muss noch die Fahrt bezahlen.«
127. Am Zaun vor Carsten Osterhannes’ Anwesen, nachts
»Hier ist es. Pass auf den Stacheldraht auf«, sagt die Frau. »Weißt du noch die Nummer?«
»6560.«
»Genau. Viel Glück.«
»Ich will nur mein Geld. Und meinen Pass.«
»Und Gerechtigkeit für Adrian.«
»Ja. Und Gerechtigkeit für Adrian.«
Die Frau verschwindet in der Dunkelheit. Kimi wirft die Decke über den Zaun. Dann greift er in die Maschen und zieht sich hoch. Als er oben ist, verfängt sich seine Hose im Stacheldraht. Er zieht, aber der Stoff hängt fest. Er versucht, ihn mit den Fingern zu lösen – vergebens. Er hört einen Hund bellen und bleibt für einen Augenblick still auf dem Zaun sitzen.
Beim zweiten Versuch löst sich die Hose vom Zaun. Vorsichtig klettert er auf der anderen Seite des Zaunes herunter, sieht sich um und rennt dann über die Wiese zu dem kleinen Gebäude direkt hinter dem Haupthaus. Er sieht das Tastenfeld an der Eingangstür sofort und gibt die Kombination ein: 6065.
Falsche Eingabe. Noch zwei Versuche vor Alarm.
Kimi überlegt. Seine Handflächen sind feucht. Er tippt erneut: 6605.
Falsche Eingabe. Noch ein
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