Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
fühlte sich elend.
»Werden Sie nun Cardoni verhaften?«, fragte Frank.
»Wir suchen nach ihm. Bis wir ihn gefunden haben, sollten Sie beide die Augen offen halten. Wir haben zwar keinen Grund für die Annahme, dass er es auf Sie abgesehen hat, aber wir sorgen uns um die Sicherheit von jedem, der mit ihm zu tun hat.«
Normalerweise bewältigte Amanda Stress mit Sport, aber im Augenblick hatte sie nicht die Energie zum Trainieren. Nach Hause zu gehen kam auch nicht in Frage, weil sie das Alleinsein nicht ausgehalten hätte. Sie zögerte einen Augenblick, griff dann zum Telefon und rief Tony Fiori im Krankenhaus an.
»Wie fühlst du dich?«, fragte sie.
»Wie Sly Stallone am Ende von Rocky .«
»Darfst du überhaupt arbeiten?“
»He, wenn Sly fünfzehn Runden gegen den Champion schaffte, ohne den Schwanz einzuziehen, dann kann ich mich doch nicht von ein paar angeknacksten Rippen abhalten lassen. Was gibt's?«
»Bobby Vasquez arbeitete für mich an dem Fall, jetzt ist er im Krankenhaus. Die Polizei glaubt, dass es Cardoni war.«
»O Scheiße! Wie schlimm ist es?«
»Ich weiß es nicht, aber ich fühle mich sehr elend.«
»Brauchst du jemanden, mit dem du reden kannst?«
»Ja, Tony, ich brauche jemanden.«
»Ich habe in einer Stunde Feierabend. Warum kommst du nicht in mein Haus? Ich treff dich dort.«
»Das wäre großartig.«
»Bis bald!«
Tony hatte Amanda den Weg zu dem Haus beschrieben, das er sich gekauft hatte, als er wieder nach Portland gezogen war. Es lag auf dem Land, südlich der Stadt und einige Meilen östlich der Interstate auf einem knappen Hektar einsamen Waldland. Amanda fand die kurvenreiche Landstraße, die zu dem Anwesen führte. Kaum war sie vor dem Haus aus ihrem Auto gestiegen, schloss Tony sie in die Arme. Einen Augenblick lang hielten sie sich, dann schob Tony sie ein Stückchen von sich, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte.
»Alles okay?«, fragte er.
Amanda nickte ernst. »Geht schon wieder. Danke.«
Es fing an zu regnen, und sie gingen eilig ins Haus. Es war eine moderne Blockhütte mit einem riesigen, steinernen offenen Kamin und einem hohen, steilen Dach, das auf massiven, grob behauenen Holzbalken ruhte. Es gab keine Abtrennung zwischen dem geräumigen Wohnzimmer und der modernen Küche. Ein kurzer Gang führte zu einem Büro, einem Badezimmer und der Kellertreppe. Über breite Stufen gelangte man zu einer ebenfalls offenen Schlafgalerie.
Im Kamin waren Scheite aufgestapelt und daneben lag in einem Weidenkorb ein Stapel alter Zeitungen. Tony benutzte das Papier, um ein Feuer zu entfachen. Amanda lauschte dem Prasseln des Regens auf dem Dach und dem Knistern der Flammen. Die Hitze des Feuers hatte bald die Kälte aus dem Raum vertrieben.
»Soll ich dir etwas zum Trinken machen?«, fragte er, als das Feuer brannte. »Du siehst aus, als könntest du was brauchen.«
»Ich will keinen Drink.« Sie klang erschöpft.
»Erzähl mir, was passiert ist!«
»Bobby fragte mich, ob er an Justines Fall mitarbeiten könne. Mein Vater traute ihm nicht, aber ich schon, also bedrängte ich Daddy, bis er nachgab und mich Bobby engagieren ließ.« Amanda klang, als laste das Gewicht der Welt auf ihren Schultern. »Als Justine aus dem Gefängnis entlassen wurde, besorgte ich Vasquez einen Job als ihr Bodyguard. Jetzt ist er schwer verletzt, und ich ... ich weiß auch nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, als sei es meine Schuld.«
Tony setzte sich neben Amanda und nahm sie in den Arm.
»Das ist es nicht, und das weißt du auch. Vasquez ist ein erwachsener Mensch. Du hast mir eben gesagt, dass er an dem Fall arbeiten wollte.«
Amanda drückte sich an ihn und fühlte sich sicher und getröstet.
»Ich weiß, dass du Recht hast. Aber das beruhigt mich nicht. Was ist, wenn er stirbt?«
Tony strich Amanda über die Haare und küsste sie auf die Stirn. Es war genau das Richtige. Amanda wollte Cardoni, Justine Castle und die schreckliche Geschichte vergessen, die mit Bobby Vasquez passiert war. Sie hob den Kopf, und Tonys Lippen trafen die ihren.
»Was auch mit ihm passiert, es ist nicht deine Schuld«, flüsterte er.
Etwas Besseres hätte er nicht sagen können. Amanda packte Tony und küsste ihn heftig. Er erwiderte den Kuss ebenso leidenschaftlich, und sie sanken auf den weißen Zottelteppich vor dem Kamin. Tony zuckte zusammen. Amanda ließ erschrocken von ihm ab, sie hatte seine Verletzungen ganz vergessen.
»Habe ich dir wehgetan?«
»Ein bisschen«, erwiderte er lachend.
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