Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Wochen im YMCA getroffen. Und dann ist er mir nach dem Gespräch mit Justine Castle im St. Francis über den Weg gelaufen. Wir haben Kaffee getrunken und ein paar Tage später hat er mich angerufen.«
»Was hat er denn im St. Francis getan?«
»Er ist Arzt.«
»Im Ernst?«
»Warum bist du so überrascht?«
»Nach Doms Tod machte er eine schwierige Zeit durch. Soweit ich gehört habe, brach er das College ab. Es freut mich, dass er es doch noch gepackt hat. War's schön?«
»Sehr.«
»Wie lief dein Prozess?«
Amanda zeigte Frank den hochgereckten Daumen und berichtete ihm von dem Fall.
»Sehr schön«, sagte Frank begeistert. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
»Ist dort Frank Jaffe?«, fragte ein Mann.
Amanda sah Frank erwartungsvoll an, weil sie hoffte, dass es Tony war, der ihr eine gute Nacht wünschen wollte. Doch Frank schüttelte den Kopf und sagte: »Am Apparat.«
»Ich bin fertig, Dad. Ich hau mich hin«, sagte Amanda und ging in ihr Zimmer. Frank winkte ihr und konzentrierte sich dann wieder auf den Anrufer.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er.
»Es geht darum, was ich für Sie tun kann.«
»Ach so.«
»Ich weiß etwas über den Cardoni-Fall. Wir sollten miteinander reden.“
20
An heißen Sommerabenden spielte die Stadtkapelle von Carrington in Vermont unter dem Dach eines Pavillons auf dem Marktplatz, und man konnte im Gras liegen, zu den Sternen hochschauen und sich vorstellen, man lebe in einer langsameren, friedlicheren Zeit, in der die Kinder Eis schlecken und Fangen spielen und die Erwachsenen Arm in Arm am Hobart Creek spazieren gehen. An solchen Abenden verhüllte die Dunkelheit die traurige Tatsache, dass viele der hübschen Geschäfte aus dem neunzehnten Jahrhundert entweder leer standen oder sich gerade noch über Wasser hielten. Bei Tageslicht ließ sich die Armut des Ortes, in dem Justine Castle aufgewachsen war, nicht verstecken.
Auf der Fahrt zu James Knolls Farmhaus fragte sich Herb Cross, wie Justines Leben in dieser Stadt der Wohnwagensiedlungen, Kneipen und der schlecht gehenden Mühlen wohl ausgesehen hatte, und er hoffte, dass der frühere Polizeichef ihm darauf eine Antwort geben konnte. Knoll hatte, als Cross ihn vom Revier aus anrief, sehr erfreut gewirkt über die Gelegenheit, über Polizeiarbeit zu reden. Er hatte ihn sogar zum Lunch eingeladen.
Eine großer, hagerer Mann mit dichten weißen Haaren, ledriger Haut und einer Bifokalbrille kam die Stufen der Veranda herunter, als Herb vor dem Haus anhielt. Cross gab Knoll die Hand.
»Kommen Sie rein! Meine Frau hat Sandwiches und Kaffee gemacht.«
Als sie dann am Küchentisch saßen, musterte Knoll den Ermittler.
»Es ist ein weiter Weg von Portland nach Carrington.«
»Unserem Mandanten droht die Todesstrafe.«
Knoll nickte, um anzudeuten, dass keine weitere Erklärung nötig war.
»Es ist schon eine Weile her, dass ich an Justine Castle gedacht habe.« Knoll schüttelte den Kopf. »Das war eine traurige Geschichte.«
»Was genau ist passiert? Ich habe einen Zeitungsartikel gelesen, aber der ging nicht sehr ins Detail.«
»Wir wollten das so. Wir wollten keinen Skandal. Gil war tot, und der gute Ruf einer jungen Frau stand auf dem Spiel.«
Knoll biss von seinem Sandwich ab und trank einen Schluck Kaffee, bevor er fortfuhr.
»Gil Manning war ein Star als Quarterback, ein Star im Basketball - und ein Stararschloch. Natürlich sah man ihm das Arschloch nach, weil er ein ...«
»... Star war?«, ergänzte Herb lächelnd.
»Genau. Justine war das hübscheste Mädchen der ganzen High School, und es war eine Sensation, als sich die beiden im vorletzten Schuljahr ineinander verliebten. Justine war die Schülerin, die immer die Jahresabschlussrede hielt. Die beiden waren ein prächtiges Paar. Am letzten Wochenende ihres letzten Schuljahres gewann Gil das Spiel mit einem Neunzigmeterlauf in den letzten Spielminuten. Natürlich wurde über nichts anderes geredet, bis die beiden ihre Verlobung bekannt gaben. Gil war ein guter High-School-Sportler, aber für ein College-Sportstipendium reichte es nicht. Er hatte einfach nicht die Noten dafür. Justine hätte auf jedes College gehen können. Wenn ich mich richtig erinnere, hatten einige ihre Bewerbung angenommen. Doch dann wurde sie schwanger, und damit war es aus mit dem College. Sie und Gil heirateten am Tag nach dem Schulabschluss, und sie zogen zu seinen Eltern. Und dann fingen die Probleme an. Gil kam nach der High School mit seinem Leben nicht
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