Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
zurande. Er war plötzlich nicht mehr wichtig. Er hatte schon immer viel getrunken, aber das war mehr jugendliche Angeberei, solange er noch der große Macker auf dem Campus war.
Nach der High School jedoch wurde er, wenn er getankt hatte, zu einem stadtbekannten Randalierer. Wirklich schlimm wurde es, als er anfing seine Frustration an Justine auszulassen. Eines Abends verprügelte Gil sie so, dass sie das Baby verlor. Ich wollte sie dazu bringen, mir zu erzählen, was wirklich passiert war. Es war ziemlich offensichtlich, dass sie keine Treppe hinuntergefallen war. Aber Gil war im Krankenhaus und kümmerte sich rührend um sie, und sie wollte nicht gegen ihn aussagen.«
Knoll schüttelte betrübt den Kopf.
»Justine war immer so hübsch und so fröhlich gewesen, aber die Frau, die ich im Krankenhaus sah, wirkte erschöpft und verbraucht, obwohl sie doch erst achtzehn war. Ich hätte diesen elenden Arsch Gil mit Vergnügen ins Gefängnis geschleift, aber ohne Justine hatten wir nichts gegen ihn in der Hand.«
Er hielt inne, um von seinem Sandwich abzubeißen.
»Zwei Monate später erhielten wir einen Notruf von der Farm der Mannings. Es war Justine, und sie war völlig verängstigt. Sie rang nach Atem und konnte kaum sprechen. Ich kam gegen drei in der Früh dort an. Gil lag mit dem Gesicht nach unten vor der Haustür. Sie hatte ihn mit seinem Jagdgewehr erschossen, ein Schuss, genau ins Herz. Als ich das Haus betrat, saß Justine am Küchentisch und hatte noch immer den Hörer in der Hand. Der Diensthabende hatte ihr gesagt, sie solle am Apparat bleiben, bis wir ankämen. Ich musste ihr den Hörer aus der Hand hebeln.«
»Hat sie Ihnen erzählt, was passiert ist?«
»O ja. Wir redeten, nachdem ich sie ein wenig beruhigt hatte. Gil hatte von ihr verlangt, dass sie mit ihm zum Trinken geht. Sie wollte nicht, aber er machte eine Szene. Er betrank sich in Dave Buchs Taverne und wurde ausfällig, und Dave warf ihn hinaus, nachdem er mit einem Jungen von einer rivalisierenden High School einen Streit angefangen hatte. Auf der Heimfahrt warf er Justine vor, sie sei schuld daran, dass sein Leben so beschissen war. Er sagte, sie sei ein fettes Schwein, und behauptete, sie behindere ihn.«
Knoll schüttelte den Kopf.
»Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, wobei. Dann boxte er sie aufs Kinn. Sie hatte eine böse Quetschung, und wir haben Fotos gemacht. Er schlug sie auch aufs Auge. Dann stieß er sie aus dem Auto und versuchte, sie zu überfahren. Justine lief davon, und Gil war zu betrunken, um sie einzuholen. Als er sie nicht mehr verfolgte, ging sie im Dunkeln nach Hause. Sie war durchgedreht und hatte eine Todesangst. Sie sagte, sie sei sich sicher gewesen, dass Gil sie umbringen würde, sobald er nach Hause kam. Gils Eltern waren zu Besuch bei ihrem anderen Sohn in Connecticut, sie war also ganz allein. Sie schnappte sich Gils Flinte und setzte sich im Wohnzimmer aufs Sofa. Unterdessen hatte Gil einen Unfall gebaut. Er war zwar nicht verletzt, aber das Auto hatte einen Totalschaden. So ließ er sich von Andy Landlaw, einem seiner Saufkumpane, nach Hause fahren. Andy erzählte mir, Gil habe zwar zugegeben, dass er Justine hatte überfahren wollen, er habe deswegen aber auch ein furchtbar schlechtes Gewissen gehabt. Als sie auf der Farm ankamen, bot Andy an, mit Gil hineinzugehen, aber Gil schickte ihn fort. Andy sagte, Gil habe auf dem Vorplatz gestanden, als er davonfuhr.«
»Und wie kam Gil dann zu Tode?«
»Justine sagte, sie habe ein Auto vorfahren gehört und gedacht, es sei das von Gil. Sie wusste ja nicht, dass er es kaputtgefahren hatte. Als er durch die Tür kam, sagte sie, er solle verschwinden, oder sie werde ihn erschießen. Er machte noch einen Schritt vorwärts, und sie schoss, und das war's dann.«
»Wie weit von der Stadt war Justines Elternhaus entfernt?«
»Nicht so weit wie die Farm, aber sie sagte, nachdem Gil versucht hatte, sie zu töten, sei sie so verängstigt gewesen, dass sie ohne nachzudenken einfach zur Farm zurückgelaufen sei. Außerdem wollte sie nicht, dass ihre Eltern etwas davon erfuhren. Sie schämte sich, weil ihre Ehe nicht funktionierte.“
»Hatte sie sich, während sie mit der Flinte dasaß, denn nicht beruhigt?«
»Hatte nicht die Zeit dazu.«
»Wann verließen sie die Bar?«
»Gegen elf.«
»Und wann kam ihr Notruf?«
»Gegen eins.«
»Das bedeutet, dass zwischen dem Zeitpunkt, als sie vor ihrem Mann davonlief, und dem Zeitpunkt, als sie ihn erschoss,
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