Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni
Anklageschrift. Während der Richter sich mit seinem Protokollführer über ein mögliches Datum für eine Kautionsanhörung unterhielt, erklärte Amanda ihrer Mandantin, was jetzt passierte. Justine hörte aufmerksam zu und nickte an den richtigen Stellen, aber Amanda hatte den Eindruck, dass sie kurz vor einem Zusammenbruch stand.
»Alles okay mit Ihnen?«
»Nein, aber ich halte schon durch. Sehen Sie nur zu, dass Sie mich so schnell wie möglich herausholen können!«
Der Richter beendete die Klageeröffnung gegenüber Justine, und die Wache stand auf, um die Ärztin abzuführen.
»Ich arbeite ausschließlich an Ihrem Fall«, sagte Amanda zu ihr. »Heute sehen wir uns nicht mehr, aber morgen komme ich wieder zu Ihnen. Verlieren Sie die Hoffnung nicht!«
Mit hocherhobenem Kopf ging Justine durch die Tür zu dem Aufzug, der sie zurück ins Untersuchungsgefängnis brachte. Amanda fragte sich, ob sie selbst so viel Würde an den Tag legen könnte, wenn sie in Dr. Castles Schuhen stecken würde.
Im Gang vor dem Gerichtssaal wurde Amanda wieder von den Reportern bestürmt. Sie verweigerte jeden Kommentar und kämpfte sich durch die Menge zur Straße durch. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war weiterhin kalt und windig. Amanda zog die Schultern hoch und überquerte die Straße zum Londsdale Park, wo sie am Kriegerdenkmal und an leeren Bänken vorbeilief. Als sie an der Ecke Fourth und Salmon auf Grün wartete, warf sie einen Blick hinter sich und glaubte, bei dem kleinen Backsteintoilettenhäuschen am Rand des Parks eine Bewegung zu entdecken. Die Ampel sprang um, Amanda überquerte die Straße und ging die Fourth hinunter zu ihrem Büro. Sie hatte das Gefühl, dass ihr jemand folgte. Konnte es sein, dass es einer der Reporter war? Amanda blieb stehen und drehte sich um. Ein Mann in einem Trenchcoat verschwand im Eingang eines Bürogebäudes auf der anderen Straßenseite. Amanda schaute genau zu dem Eingang hinüber. Sie ging sogar ein paar Schritte zurück, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Zwei Frauen verließen das Gebäude. Amanda starrte auf die Tür, durch die sie herausgekommen waren, sah aber sonst niemanden mehr. Plötzlich überwältigte sie die Müdigkeit, und sie lehnte sich an eine Parkuhr. Sie schloss kurz die Augen, und als sie sie wieder öffnete, fühlte sie sich leicht benommen. Sie schrieb das Gefühl, verfolgt zu werden, ihrer Erschöpfung zu, atmete einmal tief durch, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und ging die Fourth hinunter zum Stockman Building.
38
Mike Greene war in Los Angeles aufgewachsen. Er heiratete seine High-School-Liebe und machte sein Juraexamen an der UCLA. Alles lief wunderbar, sein Leben schien perfekt auf Kurs zu sein. Doch eines Tages während seines vierten Jahres als Anklagevertreter im Büro des Bezirksstaatsanwalts von Los Angeles aß er zu Mittag ein schlechtes Burrito. Als das Gericht wieder zusammentrat, war ihm so übel, dass er nicht mehr weitermachen konnte, und der Richter vertagte das Verfahren. Mike dachte kurz daran, seine Frau Debbie anzurufen, wollte sie aber nicht beunruhigen, also ruhte er sich eine Stunde aus und fuhr dann nach Hause.
Drei Stunden früher als gewöhnlich trat er durch die Tür seines Reihenhauses und fand Debbie rittlings auf ihrem Nachbarn. Zu verblüfft, um einen Ton herauszubringen, stand er in der Schlafzimmertür. Während das schuldige Paar hastig die Kleider zusammenraffte, drehte er sich wortlos um und ging.
Greene zog zu einem Kollegen, bis er eine trübsinnige möblierte Wohnung fand. Er hatte seine Frau so geliebt, dass er sich selbst die Schuld an dem Ehebruch gab. Die Scheidung ging sehr schnell über die Bühne. Debbie bekam das Haus, einen Großteil der gemeinsamen Ersparnisse und alles, was sie sonst noch haben wollte, weil Mike sich zu kämpfen weigerte. Nach der Scheidung versuchte er, sich auf seinen Job zu konzentrieren, aber er war so deprimiert, dass seine Arbeit darunter litt. Bis auf die Flitterwochen auf Hawaii und ein oder zwei Urlaube in Mexiko hatte er Kalifornien noch nie verlassen. Er verkaufte sein Auto und kaufte sich ein Flugticket nach London.
Nach sechs Monaten in Europa, zu denen auch eine kurze Affäre mit einer reizenden israelischen Touristin gehörte, sah Mike eine neue Perspektive. Er erkannte, dass Debbies außereheliche Eskapaden nicht seine Schuld waren und dass es jetzt an der Zeit war, sein Leben wieder auf die Reihe zu bringen. Ein Freund im Büro des
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