Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni

Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni

Titel: Amanda Jaffe 01 - Die Hand des Dr Cardoni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
Vom Netzwerk:
herausbringen.
    Doch kaum hatte sie dies gedacht, befiel sie ein schlechtes Gewissen. Sie konzentrierte sich auf die Qualen, die Cardonis Opfer hatten erleiden müssen, und zwang sich an das zu denken, was sie auf dem Sandowski-Video gesehen hatte. Aber sie konnte die Aufregung nicht unterdrücken, die sie spürte, während ein geheimer Teil ihres Ichs von einer Zukunft flüsterte, in der sie so berühmt und gefragt sein würde wie Frank Jaffe.
    Amanda kämpfte gegen diese Gedanken an. Sie sagte sich, dass sie zwar ehrgeizig sei, dass ihr aber ihre Mandanten mehr am Herzen lägen als ihr Erfolg. Justine Castle zu retten war das einzig Wichtige. Der Ruhm mochte eine Folge davon sein, aber sie wusste, dass es falsch war, einen Fall nur wegen der Berühmtheit, die er einbringen konnte, anzunehmen. Trotzdem war die Vorstellung, den eigenen Namen in den Schlagzeilen zu lesen, nur schwer zu verdrängen.
    Dann kam ihr ein beunruhigender Gedanke. In einer Woche würde ihr Vater aus dem Urlaub zurück sein. Was würde sie tun, wenn er versuchte, ihr den Fall wegzunehmen? Konnte sie Frank davon abhalten, sie beiseite zu schieben? Sie war nur Juniorpartner bei Jaffe, Katz, Lehane and Brindisi, Frank dagegen ein Senior. Wenn er den Fall wollte, konnte Amanda ihn nicht davon abhalten, ihn zu übernehmen. Und als Justine aus dem Justice Center anrief, hatte sie Frank Jaffe sprechen wollen, nicht seine Tochter.
    Amanda tadelte sich, weil sie so dachte. Sie stellte ihre Bedürfnisse über die ihrer Mandantin. Wenn Justine sich von ihrem Vater verteidigen lassen wollte, würde sie beiseitetreten. Doch im Augenblick sollte sie an nichts anderes denken als daran, wie sie Justine aus dem Gefängnis holen konnte.
    Um sechs Uhr fünfundvierzig hockte Amanda im Keller des Stockman Buildings und wühlte sich durch das Archiv der Kanzlei. Die Cardoni-Akten füllten drei staubige, von Spinnweben bedeckte Kartons. Es wären noch viel mehr solcher Schachteln gewesen, wenn es damals zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Es war nicht einfach, die Kartons auf einen Karren zu laden, ohne sich dabei das Kostüm staubig zu machen, aber Amanda schaffte es. Als sie dann die Kartons in ihr Büro geschoben hatte, zog sie ihr Jackett aus und stapelte den Inhalt auf ihren Schreibtisch. Franks Fallordner waren immer sehr effektiv angelegt. Ein Dreiringschnellhefter enthielt Memos zu juristischen Themen, die im Verlauf des Prozesses zur Sprache kommen konnten. Hinter jedem Memo befanden sich Fotokopien der Präzedenzfälle und Paragrafen, die die einzelnen Argumente stützten. Ein zweiter Ordner enthielt die chronologisch geordneten Polizeiberichte, ein dritter die Berichte, die der eigene Ermittler verfasst hatte. In einem vierten Ordner befand sich eine alphabetische Auflistung aller potenziellen Zeugen sowie Kopien aller von den beiden Seiten verfassten Berichte, in denen ein Zeuge erwähnt wurde. Ein getipptes Blatt mit potenziellen direkten oder Kreuzverhörfragen und Themen, die noch genauer recherchiert werden mussten, ging jedem Bericht voraus. Ein letzter Ordner enthielt Zeitungsausschnitte über den Fall.
    Amanda öffnete den Ordner, der für den Antrag auf Nichtzulassung zusammengestellt worden war. Er enthielt ein Verzeichnis aller in dem Haus in Milton County gefundenen Gegenstände. Es gab auch einen Umschlag mit Fotos des Tatorts. Amanda breitete die Fotos auf ihrem Schreibtisch aus und überflog die Berichte. Sie brauchte nur wenige Sekunden, um Kaffeetasse und Skalpell in dem Verzeichnis zu finden und die Fotos, die zeigten, wo im Haus die einzelnen Gegenstände entdeckt worden waren. Mike Greene hatte versprochen, Amanda vor der Anklageeröffnung an diesem Nachmittag einen Satz Tatortfotos zu geben. Sie war bereit zu wetten, dass diese Fotos den auf ihrem Tisch ausgebreiteten sehr ähnlich sahen.
    Um acht schickte Amanda ihre Sekretärin ins Büro des Stellvertretenden Bezirksstaatsanwalts, um die Schlüssel zu Justine Castles Haus zu holen, damit sie Kleider für den Auftritt ihrer Mandantin vor Gericht aussuchen konnte. Um halb zwölf verschlang sie an ihrem Schreibtisch ein Sandwich und trank noch einen Kaffee. Als sie dann um ein Uhr zur Anklageeröffnung ins Justice Center ging, war sie erschöpft, aber bestens über Vincent Cardonis Fall informiert.
    Amanda schaffte es durch die glasüberwölbte Lobby des Justice Center und die geschwungenen Marmortreppen hinauf in den dritten Stock, bevor jemand vom lokalen Fernsehsender ihren

Weitere Kostenlose Bücher