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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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Raumgitters in
einer bestimmten Anordnung stehen, so dass sie durch die ständig einfallenden
Materiewellen zu einem entsprechenden Winkel gebeugt werden, können sie Translatoren
und die schwache Statik der Atome durch die Aufnahme weiterer verstärken. Eine
äußerst unvollkommene Gittergerade ist dabei am unfähigsten, sich aufzufüllen,
da ihre wenigen Elektronen über eine zu geringe Anziehungskraft verfügen.
Dadurch gelingt es ihnen kaum, positive Ionen zu binden und sich somit zu
vervollkommnen.«
       Shan-Ucci verhielt kurz, um sich zu sammeln. Sichtlich ging
diese Rede nicht spurlos an ihm vorüber. Dann begann er von neuem: »In der Tat
ist das statische Gleichgewicht unserer Molekularkräfte derart aus einem evolutionären
Verhältnis der geladenen Materie geraten, dass wir stagnieren. Viel schlimmer
noch, wir verharren auf einem Niveau der individuellen Entwicklung, die unsere
Existenz als Rasse und Kultur auf das äußerste bedroht.« Er hielt einen
Augenblick inne. »Es ist zwar richtig, dass wir unter diesen Umständen auch
nicht sterben können - wie ich auf der Erde erfahren habe, eine nicht
unerwünschte Bestrebung - aber zu welchem Preis: wir sind ebenso nicht in der
Lage, neues Leben zu schaffen. Weiterhin, und dieses ist ein grundlegender
Aspekt außerhalb der Unsterblichkeitsbetrachtung, weiterhin sind wir nicht in
der Lage, uns selbst noch zu entwickeln. Unterschätzen sie diesen Umstand
nicht, meine Herren von der Erde, es würde für sie gleichbedeutend sein mit dem
Ergebnis, dass sie für immer ein Kind, ein 30- jähriger Erwachsener oder ein
alternder Greis bleiben müssten. Haben AIs sich darüber schon einmal Gedanken
gemacht, an ihren eigenen Körper gefesselt zu sein? Was ist, wenn Sie zudem
noch krank sind, große Schmerzen haben oder ein wie auch immer unwürdiges
Schicksal führten? Ich möchte jedem selbst die Entscheidung einer Antwort
überlassen. Wir jedoch, unsere Rasse, hat sich bereits entschieden: wir wollen
wieder wachsen, sterben und neu entstehen.«
       Dieses Plädoyer erschütterte alle Anwesenden. Steff erinnerte
sich an die Augen des Santoganers. Wie viel Gefühl mochte darin liegen? Und in
welchem Widerstreit?
       Aber der Kapitän war noch nicht fertig. »Nun, wie erhoffen
wir uns eine Abänderung dieses Schicksals? Eine Rettung? Die uns betreffenden
bi-3 Positronen haben - wie erwähnt - die Eigenschaft, kurzfristig Elektronen
an sich zu halten, sich an Materie zu binden und entweder dann zu zerfallen
oder diese weiterzugeben. Zum Beispiel an unsere Ionen. Da die Positronen
nämlich eine noch schwächere Bindungskraft als unsere Gittergeraden haben,
können sie so ihre Materieteilchen abtrennen und unseren Ladungszustand
auffüllen und kräftigen. Dadurch gelangen wir wieder in einen Zustand, der es
uns ermöglicht, von selbst die Gittergeraden zu vervollkommnen. Die Morbidität
unserer Struktur wäre geheilt.« Er hielt inne, um dann zu vollenden. »Und wir
wären der Menschheit zu unendlichem Dank verpflichtet.«
       Ein Geraune ging durch den Saal, und vor allem die Menschen
waren in hitzigen Gesprächen vertieft. Doch Shan-Ucci setzte noch einmal an.
Mit einer um Ruhe bittenden Geste erhob er sich. »Meine Herren, ich bin nun am
Ende meiner Rede angelangt und möchte deshalb nicht versäumen, Sie in einem
Punkte zu informieren, der vielleicht als erster zu einer Reihe von
Danksagungen gehört, zu denen wir uns allein schon durch Ihre Mitarbeit und
Teilnahme verpflichtet fühlen.«
       Es kam irgendwann ein Zeitpunkt, an dem sich in Steff die
Ansicht verstärkte, dass die nächsten Worte, die Shan-Ucci sprach, ganz besonders
für ihn bestimmt waren. Denn es sollte sich erweisen, dass sie sein weiteres
Leben auf das entscheidendste beeinflussten.
       »Erst kürzlich abgeschlossene Messungen - die nur möglich waren,
weil wir die Konstellation der Erde vor 50 bis 60 Millionen Jahren, die durch
ihre Wanderbewegung innerhalb der Galaxis in dieser Zeit für uns verdeckt war,
in einem Sternenhaufen wiederfanden - konnten nachweisen, dass die Positronenmission
während dieser Periode auszubleiben begann.«
       Er hielt kurz inne und schaltete mehrere Gedankengänge
gleichzeitig. »Sie begreifen, nebenbei gesagt, dass erst mit dem endgültigen
Stopp des Auswurfes menschliches Leben möglich werden konnte.« Er machte erneut
eine Pause und musterte die Gesichter der Menschen. »Danach erst konnte
sozusagen die erste Stufe einer wohl noch recht unähnlichen

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