Amarilis (German Edition)
Shan-Ucci lehnte sich scheinbar erschöpft in den Sessel
zurück. Steff stellte mit Verwunderung eine Ähnlichkeit in der menschlichen
Verhaltensweise fest. ‚Die Ehrlichkeit der Ausflucht vorzuziehen, hat auch ihn
Anstrengungen gekostet.’ Er wandte sich zum ersten Mal an den Kapitän: »Und wie
wirken sich diese ... Zerstörungen auf den irdischen Organismus aus?«
Dieser blickte ihn erneut lange an. Dunkel zog sich nun über
die matte Tönung seiner Augen. Dann flackerte wie weiße Gischt ein Hauch über
die fast erloschene Iris und wischte die Schatten der Tiefe hinweg. Wie auf den
Ausläufern einer gestrandeten Welle begannen kleine Lichtreflexe zu glitzern,
und Steff sah durch sie hindurch weit in die Unermesslichkeit eines
bernsteinblauen Meeres.
»Der Spannungszustand aller menschlichen Zellen wird vernichtet.
Aber das scheinen sie doch schon längst zu wissen, Dr. Maiger.«
»Verzeihen sie, Kapitän. Aber wir brauchten ihre persönliche
Bestätigung.« Steff presste die Lippen aufeinander. Trotzdem war er sehr erleichtert.
Mit der rechten Hand strich er sich kurz über die Schläfe.
Der Professor fragte nun, ob die Santoganer einen Ausweg wüssten.
»Bei einer Isolierung dieser Positronen, vorausgesetzt, wir
finden sie, gäbe es keine Schwierigkeiten. Wir haben bereits an entsprechenden
Schutzanzügen für die Menschen, die sich in ihrer Nähe aufhalten müssen,
gearbeitet. Mit dem Raumschiff, das gestern in Gatow landete, sind auch
Materialien mitgebracht worden, die hier leicht den menschlichen Körpern angepasst
werden können.«
Der Professor faltete die Hände und saß eine Weile vorne
übergebeugt in seinem Sessel. Dann hob er den Kopf. Sein sanftes Gesicht
strahlte wieder. »Ich glaube, Kapitän Shan-Ucci, dass wir uns bei Ihnen zu
bedanken haben. Nicht nur, dass sie unsere Bedenken zerstreut haben, nein. Mich
hat auch ihre Art beeindruckt, wie sie uns ohne Umschweife das Problem erklärt
haben. Ich hege die Hoffnung, dass dieses kleine Gespräch uns unter Umständen
mehr zueinander gebracht hat, als alle wissenschaftlichen Dispute vorher.«
Er stand auf und reichte in seiner freudigen Spontanität auf
recht menschliche Art dem Santoganer die Hände. Dieser ließ sich die seinigen
mit unbeweglicher Miene nehmen und verriet ebenso wenig Regung, als er für
kurze Zeit seine andere Hand auf den Kopf des Professors legte.
Dann sagte er: »Es ist nun vier Uhr. Wir sollten jetzt in den
Saal gehen und die anderen nicht über die Grenzen hinaus warten lassen.« Er
löste sich vom Professor, nicht ohne ihn noch einmal eindringlich angeschaut zu
haben. Dann gingen sie zusammen in den angrenzenden Tagesraum.
Unter einer riesigen Kuppel, an der drei Kronenleuchter
älterer Bauart hingen, weitete sich der Saal mit an den Seiten sich endlos
hinziehenden Fensterreihen. Er war eigentlich viel zu groß für die kleine Schar
von rund 20 Menschen, die sich in einer Ecke des Raumes um eine Tafel drängten.
Dort waren die geografischen Höhenlinien von Santoga aufgezeichnet, dessen
Seen, Berge und Wälder. Die Grünflächen waren allerdings eher als ein irdisches
Hilfsmittel für die Kennzeichnung der einheimischen Flora gedacht, denn
Pflanzen in unserem Sinne gab es dort nicht.
Als ihre Kollegen eintraten, blickten sie auf und erkannten
in deren Gesichter, dass das eben beendete Vorgespräch positiv verlaufen war.
Sogleich ließen sie sich darüber berichten. Sichtlich hellten sich ihre Mienen
auf, und sie warfen anerkennende Blicke auf Shan-Ucci.
Als dieser den Saal betreten hatte, erschienen aus einem der
Gänge andere Santoganer, fast die ganze Mannschaft. Zu ihnen stießen nun auch
Journalisten von Presse, Radio und Fernsehen mit ihren 3d-Doppelkameras, so dass
sich die Halle doch noch ansehnlich zu füllen begann. Der Kapitän betrachtete
dieses Treffen als eine Art Generalversammlung, auf der alle noch einmal kurz
vor dem Start zusammen kommen sollten.
Würdevoll setzte er sich hin. Die Runde um ihn verstummte und
nahm gleichfalls Platz. Steff legte seine Notizen und die wichtigsten
Auf-zeichnungen vor sich auf den marmornen Tisch. Dann nahm er einen Schluck
Mineralwasser, das vor ihm in einem durchsichtigen Krug aus kristalloidem Quarz
gefüllt war.
Er hörte Shan-Ucci die Konferenz eröffnen. »Meine Herren, ich
darf sie alle zusammen hier in der Zentrale für Raumfahrt begrüßen und sie bitten,
sich am heutigen Nachmittag als Gäste
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