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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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an, und Steff
konnte wieder für wenige Augenblicke ein Aufflackern in den fremdartigen Silikataugen
wahrnehmen.
       »Wir sind gekommen, Kapitän«, nahm der Professor den Faden
auf, »um mit ihnen über eine Angelegenheit zu sprechen, die unserer Ansicht
nach mehr der Klarheit bedarf. Er hielt inne, um sich die nächsten Worte gut zu
überlegen. »Wir wissen eigentlich nicht viel über die Vorgänge Ihrer Evolution,
die sie veranlassten, unsere Erde aufzusuchen. Umso weniger ist uns das
Partikel, das Grund Ihrer Reisen ist, das Positron bi-3, bekannt, da wir
bislang weder von seiner Existenz wussten noch ihm in anderer physischer
Gestalt begegnet sind. Überhaupt ist uns dieses Element ein Rätsel. Was macht
Sie so sicher, es auf der Erde noch anzutreffen?«
       Erskin schaute den Santoganer eindringlich an. Dieser nahm
sich einige Sekunden Zeit, um ihm zu antworten. »Leider, Professor Erskin,
haben wir absolut keine Sicherheit über den Verbleib dieser Elementarteilchen.
Schauen Sie«, und er blickte Steff und Angelo ebenso an, »die Sackgasse unserer
Evolution, ihre unabwendbare Stagnation, ließ uns in einer Verzweiflung verbleiben,
aus der heraus wir uns unter noch so gewaltigen Anstrengungen nicht mehr
befreien konnten. Professor, wir sind eine sterbende Rasse, aber wir wissen um
die Möglichkeit unserer Rettung. Die Erkenntnis des Lebens, heißt es bei uns,
steht höher als das Leben. Und die Erkenntnis des Glücks höher als das Glück.«
Steff bemerkte ein wellenförmiges Auf und Ab seiner vier Finger und der zwei
Daumen, das sich während der Rede ständig steigerte. »Und nun haben wir etwas
entdeckt, das die physiologischen Eigenschaften hat, um unsere Silikontetraeder
wieder wachsen zu lassen. Meine Herren, würden Sie sich nicht auch an den
kleinsten Strohhalm klammern, der sich Ihnen in diesem Moment bietet?« Er machte
eine kurze Pause. »In der Tat haben wir keine Sicherheit, nur Hoffnung.«
       Die sechsseitigen Wände des Zimmers hatten jedes seiner Worte
aufgesogen. Umso mehr lastete nun das Schweigen auf den Anwesenden, das
fehlende Echo des flirrenden Gesangs, das die direkten Töne von Shan-Uccis
Sprache durch den Raum warf.
       Es dauerte eine Weile, bis einer der Menschen wieder Worte
fand. »Wir verstehen vollkommen ihre Beweggründe, Kapitän, und fühlen mit Ihnen
und ihrem Volk.« Angelo Roggini richtete sich in seinem Sessel auf. »Aber ich
hoffe, sie werden ebenso dafür Verständnis haben, dass uns jedwede Vorstellung
dieses Positrons fehlt, zumal wir eher unserer Überraschung Ausdruck verleihen
müssen, dass es überhaupt existiert.«
       Shan-Ucci hatte ihm ruhig zugehört. Die wellenförmige
Bewegung seiner Finger ebbte ab. Einer seiner drei Hälse knickte nun einwenig
ein, als er sich ihm zuwandte. »Wir haben ihnen unsere Informationen über das
bi-3 Positron in mehreren Berichten zugestellt, Dr. Roggini. Was wollen sie genau
wissen?«
       Angelo schien sich völlig gleichgültig diese Frage anzuhören,
die doch direkt das herausforderte, was der Anlass ihres Besuches war. Betont
langsam nahm er sich ein Blatt Papier und zeichnete darauf eine in Pfeilen verlaufene
Kreislinie, die sich am Ende wieder schloss. »Dieses ist der Wasserstoff-,
Kohlenstoff-, Stickstoff- und Sauerstoffzyklus unserer Erde, Kapitän. Durch
einen gleichmäßigen Verbrauch und eine kontinuierliche Erneuerung gewährleistet
er stets einen ausgeglichenen Lebenshaushalt. An welcher Stelle nun würden sie
das Positron bi-3 einreihen, wenn es auf der Erde tatsächlich gefunden werden
sollte?«
       Er hatte diese Frage geradezu andächtig geäußert und schien
jetzt beinahe interessenlos der Antwort zu harren. Shan-Uccis Gesicht verriet ebenso
wenig seine Gedanken. Nur seinen aufmerksamen Blicken konnte angesehen werden, dass
er in den Zügen der Menschen ihre Ansicht zu lesen versuchte. Seine Mundhöhle
bildete einen einsamen Strich. Als sie sich endlich öffnete, raschelte es
zunächst im Raum, bevor es in den Ohrhörern der Menschen zu einer Übertragung
kam.
       »Wir haben nur eine winzige Hoffnung auf das Auffinden des
Positrons. Deshalb hatten wir uns entschlossen, sie nicht unnötigerweise in
eine Kenntnis zu setzen, deren Reaktion wir vorher nicht abschätzen können, und
deren Schrecken wir ihnen ersparen wollen. Denn diese Positronen werden vermutlich
in den von Dr. Roggini dargestellten Lebenskreislauf nicht erhaltend eingreifen
können. Sie werden ihn eher zerstören.«
      

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