Amarilis (German Edition)
unterwerfen mussten. Aber dennoch gingen sie alle ein. Eine uns
kaum erklärbare Tatsache, mit der sich gleich anschließend mein Kollege Dr.
Maiger beschäftigen wird. Doch starben sie auch wirklich alle aus? Uns schon
seit Jahren bekannte Untersuchungen weisen darauf hin, dass es einigen Sauriern
gelungen war, sich in Höhlen anzusiedeln. Dafür sprechen mehrere fossile Funde.
Aber die erst heute uns zu Ohren gekommenen Fakten bestärken eine These, die
besagt, dass es einigen vielleicht doch gelungen war, sich für einen gewissen
Zeitraum noch in geringer Tiefe unterhalb der Erde aufzuhalten und auf den
Kohlenstoff - Sauerstoff - Kreislauf der Pflanze, wie von Kapitän Shan-Ucci
angedeutet, einzuwirken.«
Damit überließ er Steff das Podest. In vollem Bewusstsein der
Bedeutung seiner letzten Worte, mit denen er seinem Kollegen die eigentlich ihm
zu überlassende Eröffnung der neu zu interpretierenden Saurierentwicklung platzen
ließ, schritt er zu seinem Platz zurück.
Als Steff das Pult betrat, richtete er seine ersten Worte
direkt an Ambros: »Lieber Herr Kollege«, begann er und ließ dem Professor Zeit,
sich genüsslich ins Taschentuch zu schnäuzen, »wenn ich Ihre letzten Worte dahingehend
verstanden habe, dass Sie sagen wollen, es gäbe sie heute nicht mehr, die Saurier
und die Pflanze, dann muss ich ihnen sofort eine Korrektur anschließen.« Er
schaute geduldig zu Ambros hinüber. Dieser verzog jedoch keine Miene, so dass
Steff fortfuhr: »Ich behaupte im Gegenteil, dass die Vermutung absolut nicht
auszuschließen ist, dass sie bis in unser Jahrhundert überlebt haben könnten.«
Die letzten Worte waren mehr herausgerufen, denn den Saal erfüllte zusehends
heftiges Geraune. Steff versuchte verstärkt, sich Ruhe zu verschaffen. »Hören
Sie mir bitte weiter zu! Ich werde diese These beweisen, indem ich der Reihe
nach die Gründe durchgehe, die das Aussterben der Saurier erklären. Der Saurier
nämlich«, und hier erhob sich wieder seine Stimme, »die sich nicht in die
Höhlen zurückzogen, und die nicht der Pflanze folgten!«
Jetzt musste er einige Augenblicke warten, bis wieder völlige
Ruhe im Saal eingekehrt war. Mit einer fahrigen Geste strich er sich über die
Schläfe. Er fühlte sich müde und spürte eine tiefe Sehnsucht nach Meika. Doch
dann bemerkte er die atemlose Spannung der Zuhörer und konzentrierte sich
wieder.
»Durch den von meinem Vorredner bereits erwähnten
Meteoriteneinschlag und den daraufhin erfolgten Staubgürtel um die ganze Erde
kühlte sich das Klima der Oberkreide auf Jahrzehnte erheblich ab. Dieser Umstand
hatte viele bedenkliche Folgen. Erstens wurde die Mikrostruktur der Eierschalen
bei den Sauriern pathologisch, das heißt, während kurzer, extremer Kälteperioden
wurden die Wachstumsfunktionen für geraume Zeit unterbrochen, und zweitens:
Ohne das Sonnenlicht wurden gerade die Pflanzen in Mitleidenschaft gezogen, die
den Sauriern als Nahrung dienten. Besonders der Rückgang einer speziellen Sorte
von Wasserpflanzen bedingte in wesentlichem Maße den Einbruch der Urtiere, da
diese ohne eine extrem weiche Nahrung wegen ihrer schlechten Zähne und ohne
deren massenhaftes und zugleich nahrungskonzentriertes Vorkommen aufgrund ihres
großen Eigenverbrauchs verloren waren.«
Steff blätterte für einen kurzen Augenblick in seinen
Unterlagen, bis er wieder begann: »Ein weiterer Moment ihres Niederganges Ende
der Kreide lag in der Regression, das heißt dem Rückzug des Meeres durch den verändernden
Kontinentaldrift. Da der Dinosaurier sich vorwiegend auf dem Land und möglichst
immer an seichten Übergangsstellen aufhielt, mußte er den nun austrocknenden
Weidegründen zum einen wegen der wassernahen Flora, zum anderen auch wegen
seiner Leibesgröße, weswegen er stets eine Erholungspause im tragenden Wasser
bedurfte, den Rücken kehren und die nächste Wasserstelle aufsuchen. Wenn ihm
dies gelang, hatte er jedoch mit weiteren Problemen zu rechnen, die als Folge
des Drifts entstanden waren. Eine größere Landmasse bedeutete zum Beispiel auch
eine erhebliche Anhebung des Meeresspiegels in den seichteren Gebieten. Diese
für ihn geeigneten Stellen gab es dann kaum noch. Denn es war dem Saurier
unmöglich, bei einer Wassertiefe von über 12 Metern noch zu stehen - und
schwimmen konnten nur die wenigsten - eine Erklärung, warum das damalige Krokodil,
die Schildkröte und der Pfeilschwanzkrebs, um nur einige Bewohner dieser
Küstenregionen zu
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