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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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Als er seine Unterlagen auf das Pult legte, klopfte
er dreimal gegen das Mikrofon. In dem geräumigen Saal verhallte das Plopp zu
einem tausendfachen Crescendo.
       Er berichtete über den Meteoriteneinfall vor 65 Millionen
Jahren und über die darauffolgende Abkühlung der Erdoberfläche. Aber neue
Informationen konnte er den anwesenden Wissenschaftlern nicht geben. Über das
von Shan-Ucci bereits Gesagte ging sein Vortrag nicht hinaus. Lediglich der
Hinweis darauf, dass das in der Erdatmosphäre gefundene Iridium 100
höchstwahrscheinlich direkt von dem heruntergestürzten Meteoriten stammen
könnte, vermochte ein gewisses Raunen hervorzurufen. Denn dieser unmittelbare
Zusammenhang erleichterte die Suche nach dem damaligen Ort des Auftretens der
Pflanze, da das Iridium einfacher festzustellen war, als die kleineren Partikel
der bi-3 Positronen.
       Danach ging Dr. Sander ans Pult. Sie war eine kleine, aber
äußerst drahtige Frau um die fünfzig, die sich energisch vor das Mikrofon
stellte und scharf in die Runde blickte. Sie hatte eine schlanke, fast schon
zierliche Figur, die noch besonders durch ihre Jeans und ihr eng sitzendes
Rüschenhemd betont wurde.
       Als sie das Wort an die Anwesenden richtete, begleitete sie
ihre Aus-führungen mit unerwartet grazilen Gesten, die ihrem forschen Ausdruck
zunächst nicht zu entsprechen schienen. Schon bald hatte sie die Gemüter ihrer
Zuhörer mit ihrem Charme aus resoluter Weiblichkeit gefangen. Wie sich herausstellte,
eine wichtige Beigabe ihres Vortrages, denn gleich zum Anfang hin machte sie
kein Hehl aus der Brisanz ihres Themas.
       »Bei Assimilation des Kohlenstoffs mithilfe von Nitrat-, aber
auch Wasserstoff- und Schwefelbakterien und der zur Reduktion des Kohlendioxyds
notwendigen Oxydationsenergie des schwefligen Wasserstoffs ist ein
Lebenskreislauf unabhängig vom Licht der Photosynthese möglich. Ein auf
Chemosynthese beruhender Pflanzenwuchs ist bei uns zum Beispiel in 2500 Meter
Wassertiefe der Fall. Normalerweise, wie Sie wissen, entnehmen die
fotosynthetischen Pflanzen dem Boden Wassermoleküle und der Luft Kohlendioxyd.
Sie kombinieren dabei den Wasserstoff mit Kohlenstoff und Sauerstoff und
produzieren so organische Stoffe. Bei der Chemosynthese stammt die Energie
direkt aus der Hitze des Erdinneren. Sie wird in Form von Schwefelwasserstoff
durch Spalten nach oben transportiert. In der Nähe der Öffnungen, wo es freien
Sauerstoff und Kohlendioxyd gibt, oxydieren dann Bakterien, die sich durch die
dort ansäßigen Geysire angesiedelt haben, den Schwefelwasserstoff und verwenden
diese Energie, um Wasserstoff mit Kohlenstoff und Sauerstoff zu organischer
Materie zu verbinden.«
       Am Schluss des Referats wies sie noch darauf hin, dass die
Mikroorganismen der Geysire den Kohlenstoff in organische Materie durch Oxydation
einbauen. Bei wirklich großen Tieren aber konnte sie sich nicht vorstellen, dass
allein Schwefelverbindungen oder die Pflanze als Nahrung dienen mochten. Wie
auch immer mögliches Leben unter der Erde auszusehen hatte, es musste warm
sein, Schwefelausdünstungen, Wasser und eine Art Bakterie besitzen, um den
Schwefelwasserstoff zu oxydieren.
       Mit einem letzten Blick über das Auditorium verließ sie
würdevoll und grazil das Podium, nickte noch einmal dankbar für das
anerkennende Klopfen und nahm ihren Platz wieder ein, so als ob nichts Besonderes
gewesen wäre. Doch in ihren Augen zeichnete sich unverkennbar Würde und auch
ein bisschen Stolz ab, den ihr der Erfolg ihres Kurzreferates gebracht hatte.
       Der nächste Redner war Professor Ambros. Mit langsamem Schritt
und gewichtiger Miene näherte er sich dem Podium. In diesem Augenblick knackte
es draußen heftig vor einem der riesigen Fenster. Einige schauten nach oben,
konnten aber nichts feststellen. Vielleicht eine schnelle Bewegung im Laub der
Bäume, die jedoch auch leicht durch den einsetzenden Wind verursacht werden
konnte.
       Am Pult nun angelangt, hob der Professor die Hand und rief:
»Sehr verehrte Damen und Herren, ich glaube, wir alle müssen uns bei Frau Dr.
Sander für diesen engagierten Beitrag bedanken. Selbst mir schien die Logik
ihrer tapferen Worte mit wachsender Dauer immer stärker einzuleuchten. Wohl
auch ein Verdienst ihrer weiblichen Vorzüge.« An dieser Stelle ertönte ein
Pfiff, den Ambros jedoch nicht beachtete. Er verlor noch einige Sätze über das
fachliche Können seiner Vorrednerin, nicht ohne gleichzeitig auf ihre

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