Amarilis (German Edition)
femininen
Vorteile hinzuweisen. Ärgerlich stieß Steff auf, dass er sich trotz seiner unmissverständlichen
Kritik mit keinem Wort direkt zu ihren Argumenten äußerte.
Endlich hielt er sich an seinen eigenen Beitrag, der der
Frage nach der damaligen Fauna und Flora nachgehen sollte. Die dominierende
Lebensform des Mäzoikums waren die Reptilien. Diese hatten zuerst seitwärts
gespreizte Gliedmaße, wobei sie den Rumpf unter großen Anstrengungen vom Boden
zu heben hatten. Später wurden diese unter den Körper geschwenkt wie Säulen,
der Bauch dadurch über den Boden erhoben und das eigentliche Gehen ermöglicht.
Schließlich schritten sie zum Teil sogar auf den Hinterbeinen, wobei der
Schwenkpunkt in Hüfthöhe lag, der Oberkörper horizontal und der Schwanz zur
Balance erhoben war.
»Ein entscheidender Vorgang bei den Sauriern, der wesentlich
zu ihrer damaligen Dominanz beitrug, meine Damen und Herren«, betonte er. Dann
führte er die Entwicklung der Sauropoden aus. Vor 120 Millionen Jahren lebten
die ersten dieser Saurier auf der Erde. Sie waren vierfüßig, hatten einen
kleinen Kopf, einen langen Hals, einen großen Schwanz und erreichten eine Länge
von über 30 Metern. Da die Stärke der Knochen und Muskeln zur Größe proportional
wuchs, das Gewicht sich aber proportional zur dritten Potenz änderte, mussten
sich, während das Reptil sich zum Beispiel in der Größe verdoppelte, die
Gliedmaßen vierfach verstärken bei achtfachem Gewicht. Erreicht wurde dieses
Verhältnis, indem die riesigen Knochen und Wirbel Hohlräume bildeten und durch
mächtige Bänder verbunden waren. Da sie dabei sehr viel Essen mussten, konnten
sie mit ihren kleinen und sehr schwachen Kiefern nur äußerst nahrhafte und weiche
Nahrung aufnehmen. Durch den großen Leib vermochten sie allerdings, die
Körpertemperatur auch nach Sonnenuntergang beizubehalten, da die Wärmeabgabe beschränkt
blieb. In einer Schwellung des Rückenmarks der Hüftregion, die größer als das Gehirn
war, hatten sie zudem Nervenbahnen gebildet, die einen Reflex am Schwanz
hervorrufen konnten, noch bevor der Impuls den Kopf erreicht hatte.
Der Professor redete mit großen Gesten auf die Zuhörer ein,
nicht ohne es zu versäumen, den einen oder anderen direkt anzusprechen oder gar
zu zitieren. Damit sicherte er sich stets einen Teil der Meinungen, denn er war
darauf bedacht, am Ende seiner Rede gänzlich zu obsiegen.
Derweil begann er, die Fauna durch die einzelnen
geschichtlichen Etappen in groben Zügen zu beschreiben. Im Trias waren zwar die
beiden Kontinente Laurasia und Gondwanaland durch das große Meer, die Thetys,
voneinander getrennt, aber durch das Schelf war ihnen eine Wanderung möglich,
so dass sie sich nicht sonderlich voneinander unterschieden. Diese Tatsache
vollzog sich erst im Jura durch die Teilung des Mittelatlantiks und bildete
sich in der Kreide vollkommen aus, so dass es dann in Nordamerika und Europa
verschiedene Arten von Sauriern gab.
Nun gelangte er zum letzten Teil seines Vortrages. »Wie
kommen wir zu solchen Erkenntnissen?« fragte er und beantwortete sich gleich
selbst. »Die häufigsten Aufschlüsse wurden aus fossilem Gestein erworben. Dabei
mussten die Kadaver in wandernden Sanddünen, vulkanischer Asche oder Schlamm
eingebettet sein. Dort wurden sie von sich rasch anhäufenden Sedimenten
bedeckt, wobei die Weichteile verwesten, Knochen, Zähne oder Schale sich jedoch
länger hielten. Dabei konnten diese sich manchmal mit in Sickwasser gelösten
Mineralien anreichern. Trotz der Formerhaltung, die nur von überlagernden
Schichten durch die Zusammenpressung einwenig getrübt wurde, änderte sich die
chemische Zusammensetzung völlig. Zusätzlich gaben Exkremente und Mageninhalte Aufschluss
über die Nahrung.«
Der Professor fing nun reichlich an zu schwitzen, denn sein
Referat hatte ihn doch einige Anstrengung gekostet. Außerdem trug die Schwüle
des sich kaum kühlenden Abends ein Wesentliches zu seinem physischen Unbehagen
bei. Aber er war nun dem Ende nah und erhob ein letztes Mal seine Stimme:
»Meine Damen und Herren, Sie werden sich sicherlich wundern,
warum ich ausschließlich über die Saurier referiere. Warum habe ich nicht auch
die Säugetiere, im Wasser lebende Arten oder die Vögel erwähnt? Nun, die
Saurier waren in dieser Zeit die alles beherrschenden Tiere. Sie hatten sich zu
einer Anpassung an die Umwelt entwickelt, zu einer Stärke und Macht, der sich
alle anderen
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