Amarilis (German Edition)
so weiter.«
»Aber dann kann er ja richtig zur Plage werden. Schau dir
doch bloß diese Massen an. Das müssen ja Millionen sein.«
»Sind´s auch. Aber eine Plage war er wohl bloß früher. Heute
haben sie ein Antiduftsystem, dass ihn von den Häusern fernhält. Die Luftschleusen
werden nur noch zur Sicherheit geschlossen.«
Steff ging mit ihm ans Fenster, und zu zweit schauten sie
nach draußen. Der Boden hatte sich von ihrem gewaltigen Schatten verdunkelt.
Nach einer Weile besannen sie sich aber ihrer Aufgabe und begaben sich in den
zweiten Stock, wo es eine Art Videozeitung gab, die ihnen die neuesten Informationen
der paläontologischen Erdforschung lieferte.
»Schau mal«, rief John plötzlich, »hier ist eine knappe
Zusammenstellung der letzten Driftmomente der Geomassen. Wenn auch einwenig oberflächlich,
aber ich hoffe, daraufhin bereits Ausgangspunkte der kontinentalen Verbreitung
vor 65 Millionen Jahren finden zu können. Hier ist sogar die Strömungsrichtung
aufgezeichnet.« Er blickte ganz verzückt auf die Bildplatte. »Man - wie haben
die das nur gemacht?«
»Mich interessiert mehr, wie die Landverdrängung Europas aussah.
Gerade in der Kreide gab es nämlich sich einander abwechselnde Trans- und
Regressionen. Dabei muß ein starker Tierbestand vernichtet worden sein. Nur
eine sehr extrem bewegliche Fauna kann sich damals gerettet haben.«
»Wenn wir eine kontinuierliche Entwicklung des Tidenhubs, der
Sockelhebungen Europas und der Landbewegungen ermitteln können, lassen sich zum
Beispiel sicher auch die damaligen Wanderpfade und Fluchtbewegungen festhalten.
Damit bekommen wir dann die Ballungsgebiete der Tiere und deren Verbindungen untereinander.«
John trat zu Steff hinüber. Dieser las gerade in einem
Buchmonitor über die Wolkenbildung der unteren Kreide. »Ich muss vor allem
rausbekommen, wo sich die Saurier befunden haben«, sagte Steff. »Säugetiere,
weißt du, gab es sicher überall, und die waren auch wesentlich flexibler. Aber
Saurier, die hielten sich wegen der weichen und zahlreichen Wasserpflanzen
meistens in Wassernahen Gebieten auf. Und da sie nicht so schnell zu Fuß waren
wie die kleineren Säuger zum Beispiel, mussten sie an den alten Wasserstellen
geblieben und gestorben sein.«
Er hielt inne und wählte eine Karte, auf der die Wolkenschichten
der Wealdensenke zwischen England und Frankreich abgebildet waren. Diesen
Ausschnitt ließ er sich vergrößern. »Dies hier ist ein Tag im Jahr 65.120.031.
Da kannst du genau am Rand des Beckens tiefliegende Wolken sehen. Wenn es dort
viel geregnet hat, und die Transgression beachtlich war, dann muss dort das
ganze Land unter Wasser gestanden haben.« Unbewusst strich er sich über die
Stirn. »Dieser Umstand könnte nun darauf hindeuten, dass dort viele Saurier starben.
Zumindest die Riesenechsen. Oder sie überlebten. Wenn wir dort die Positronen
der Chemopflanze finden.«
Steff schaute John fest an. Beide standen nach vorn gebeugt
über der Glasplatte, hinter der sie die Vergrößerung betrachteten. »Weißt du,
was ich will? Ich hab mir nämlich eine Methode ausgedacht, wie wir die Chemopflanzen
leichter finden können.« Dabei fasste er John an die Schulter. »Ich werde vor
allem da gucken, wo eine starke, permanente Wolkendecke vorherrscht, die auf
Regengebiete hinweist, so dass sich dann der Meeresspiegel dort hob und senkte,
und die Ufer mithilfe der Landverschiebung in seichte Sumpfgegenden übergingen.
Also die Grenze zwischen Land und Wasser!« Er hob den Kopf und richtete sich
kraftvoll auf. »Denn nur da, wo sich Saurier befanden, die ansonsten keine
Überlebensmöglichkeiten mehr besaßen, werden wir die chemosynthetische Pflanze
entdecken. Da sie, wie mir scheint, unausweichlich mit dem Schicksal der Tiere
verbunden ist.«
John nickte langsam, zögerte aber noch, vollends seine Zustimmung
zu geben. »Mir ist klar, Steff, dass du mehr als der Pflanze nachspürst. Du
willst die Saurier, aber dazu musst du erstmal deine Theorie beweisen. Ich
verstehe dich vollkommen, aber bislang gilt es doch noch gar nicht als gesichert,
dass die Echsen wirklich überlebt haben. Mutet dich das nicht ein bisschen
utopisch an?«
»Aber genau das ist es doch, warum mir keiner glaubt! Hättest
du vor noch hundert Jahren etwa an die Existenz von Santoganern gedacht?«
John gab ihm einstweilen Recht, weil er wusste, dass er -
wenn überhaupt - ihn nur mit sachlichen Argumenten
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