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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Kempas
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Augenblick gewürdigt zu haben. Sie verschwanden,
wie sie gekommen waren, und nichts konnte sie noch interessieren, als die Einnahme
der Flüssigkeit und das nun nahende Abbrennen ihres Plasmas.
       Vor der Halle erstreckte sich ein weites, überrotes Feld, dessen
Ende mit dem Blau des fernen Horizonts verschmolz, und dessen Seiten da aufhörten,
wo seine Felsen jäh abbrachen, um sich steil nach unten zu ziehen. Auf dem
Boden dieser Ebene wuchs kein Baum, war keine Blume noch irgendein Getier.
Keine andere Farbe gab es, die hier herrschte. Alles war rot.
       Lediglich an den Rändern des Plateaus hatten sich einige
Unregelmäßigkeiten gebildet. Hier war das Gestein aufgelockert und gab schmale,
bizarre Öffnungen frei, die zu flachen, unterirdischen Schächten führten. Diese
waren jedoch derart verschüttet, dass sie den Bewohnern des Berges lediglich
als Unterschlupf in kalten Nächten dienten. Diese selbst lebten in zeltartigen
Hütten, die sich in der Mitte des riesigen Plasmafeldes erhoben. Sie bestanden
aus Lederhäuten, die mit primitiven Schnüren verbunden und zusammengehalten
waren, besaßen einen Eingang, der stets zum Ende des Plateaus wies, und eine
rohrartige Öffnung an der Spitze, die in Richtung auf die Halle zeigte.
       Genau im Zentrum des Zeltplatzes befand sich eine
überdimensionale Trinkschale, deren Durchmesser nach menschlichem Ermessen wohl
an die zehn Meter betragen mochte. Um diese Schale, die auf einer niedrigen, zu
einem Dreieck verflochtenen Astgabel befestigt war, scharrten sich nun die
Santoganer. Zu ihren Füßen lagen kleinere Brocken der festen, aber dehnbaren
Plasmamasse, die eigentümlich warm und schmiegsam war.
       Mit ihren Händen nahmen sie nun die roten Klumpen auf,
schaufelten kleinere Kiesel davon zusammen oder brachen gar aus der porösen Schicht
des Bodens einige größere Brocken heraus und hielten sie mit plötzlich hochgerissenen
Armen weit der Sonne hin. Immer wieder vollzogen sie diese Prozedur, bis sie
mit einem Male in einen Singsang einstimmten, der alsbald in einen lauten,
röhrenden Schrei endete.
       Dabei starrten sie mit weit aufgerissenen Augen in das Licht,
dessen Helligkeit den bernsteinblauen Kristallen ihrer Retina nichts ausmachte,
hielten die Hände hoch, die voll des festen Plasmas waren und brüllten aus sich
heraus, so kräftig sie es eben konnten. Wie Erdwölfe, die den Mond anheulten,
so gurrten, schrien und röhrten sie der Sonne entgegen. Aus tiefster Brust
dröhnte ihr Gebrüll über die Ebene, und ihr Schall leitete sich in die Tiefe
der Täler und über die Grate der Berge. Von weit her wurde ihr Gesang
vernommen, und das Gestein Santogas und das Wasser seiner Flüsse erzitterten
unter ihrem Choral.
       Dann warfen sie alle das Plasma ihrer Sonne in die Schüssel,
deren Bauch sie auch weiterhin mit der rosa Flüssigkeit des Brunnens bis zum oberen
Rand hin anfüllten. In ihr lösten sich die bislang festen Brocken des Bodens
auf und mengten sich der rosa Substanz hinzu. Das dicke Geäst des Dreiecks bog
sich unter der Last der Schale.
       Nun entnahm der alte Santoganer, der vorher als letzter die
Halle betreten hatte, einen brennenden Scheit dem seitlich daneben flackernden
Feuer und hielt ihn in die volle Schale. Mit lautem Zischen schnellte eine
niedrige, blaue Flamme blitzartig über die Oberfläche der Flüssigkeit, aber
noch bevor sie deren Ränder erreicht hatte, explodierte sie. Mit einem gewaltigen
Grollen erhob sich aus ihr heraus eine riesige Stichflamme, die sich nach oben
hin züngelnd spaltete, als suche sie sich ein lohnendes Ziel.
       Eine heftige Hitze verbreitete sich sogleich und zwang die
Santoganer, einige Schritte zurück zu weichen. Nun war die Pracht des Feuers
voll entfaltet und loderte in einer mächtigen Brunst über der Schale. Einzelne
Flammen züngelten über den Rand hinweg und flogen gleichwie verselbständigt
durch die Luft in die nun einsetzende Dunkelheit.
       Mit versteinerter Miene stand der Alte daneben und sah zu,
wie sich die flackernde Glut in einer Garbe über der Schale wölbte und den Sternen
entgegenstieß. Da erwachte scheinbar wieder Leben in ihm, und er begann, erst
langsam, dann immer heftiger, mit seinen Armen zu rudern und sie letztlich wie
wild im Kreis um sich zu schlagen.
       Die anderen taten es ihm gleich, und in die nun einbrechende
Nacht war das Tanzen des kleinen Häufleins schon von weitem im Schein des riesigen
Feuers zu erkennen. Die Sonne schien fast

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