Amber Rain
uns. Tränen sickern aus ihren Augen.
„Du hast mich verlassen, Amber Rain“, sage ich ruhig. „Tu das nie wieder, hörst du?“
16
Amber
Als würde ich ihn jemals wieder verlassen können. Sein Herz an einem anderen Ort zu tragen als in der eigenen Brust, das mag gelingen für eine kurze Zeit, aber nicht auf Dauer. Ich möchte ihm sagen, dass es mir leid tut, dass ich weiß, dass ich eher hätte sprechen sollen, dass ich ihn hätte anhören sollen. Aber es geht ja nicht. In meinem Mund schmeckt es nach Gummi. Der Knebel drückt meine Zunge nach hinten, und je aufgeregter mein Atem geht, desto schwerer fällt es mir, gegen den Würgereflex anzukämpfen. In einer Geste absoluter U n terwerfung lasse ich den Kopf hängen und nicke.
Er greift mir in den Nacken und zerrt mein Gesicht in die Höhe. „Gut. Wollen wir sicher gehen, dass du es nicht ve r gisst.“ Seine Finger steifen meine Kehle. Er hat etwas in seiner Hand. Etwas mit einer scharfen Kante und einem seltsamen Muster darauf. Ich beginne wie wild zu schlucken. Das wird er nicht tun. Er hat mich geknebelt, er wird mich schlagen, dessen bin ich sicher, aber er wird mich doch nicht würgen. Seine Wut umgibt ihn wie eine Aura aus Feuer. Er hat jedes Recht dazu. Aber das … nein, ich kann einfach nicht glauben, dass er dazu fähig ist, will es nicht glauben.
Die Erleichterung treibt mir Tränen in die Augen, als ich b e greife, was es ist, das er mir um den Hals gelegt hat. Es ist das Kropfband. Das Kropfband, das ich mir in dem Schmuckg e schäft angesehen habe. Der Himmel weiß, woher er es hat, wie er auch nur wissen kann, wie gut es mir gefallen hat. Und nein, es ist nicht nur die Erleichterung. Glück und Rührung legen sich auf meine Haut und meine geschundene Seele, während er das Band hinten im Nacken verschließt.
„Mein“, seine Hand gräbt sich tiefer in meine Haare, reißt meinen Kopf fast brutal in den Nacken. „Mein!“ Er besiegelt die Geste mit einem Triumphschrei. Das Publikum tobt, und er küsst mich hart und fest auf meinen Kehlkopf. So fest, dass ich würgen muss, doch da ist es schon vorbei und im nächsten Augenblick landen die Streifen des Floggers auf meinem Bauch. Fest, unnachgiebig.
„Hhhh“, mein Schrei erstickt an dem Knebel, meine Bauc h muskeln krampfen. Und wieder trifft mich ein Schlag und wi e der und wieder. Ich will ihn anflehen, aufzuhören. Ich kann nicht mehr. Nicht noch einmal. Der Gedanke ist noch Luft in meinem Kopf, da fällt der Flogger mit einem dumpfen Schlag auf den Bühnenboden und Crispin ist vor mir auf den Knien. Leckt über die Streifen aus Hitze auf meinem Bauch, küsst, beruhigt. Langsam folgt er den Spuren seiner Behandlung nach oben. Über meine Hüfte, zwischen meinen Brüsten entlang bis zu meinen Schlüsselbeinen. So zart sind seine Küsse, so sanft im Vergleich zu den Schlägen zuvor. Ich wimmere. Ich begre i fe das nicht. Begreife nicht, wie er es schafft, so schnell seine Masken zu wandeln. Der Wechsel von hart zu zart. So schnell, so unerwartet, so, so Crispin. Ich stelle jedes Denken ab, ve r suche nicht mehr zu begreifen. Ich existiere nur noch für ihn.
Langsam steht er auf, tritt einen Schritt zurück. Um uns he r um ist es mucksmäuschenstill. Vierhundert Menschen, die den Atem anhalten, weil sie nicht wissen, was er als nächstes mit mir tun wird. Er geht um mich herum. Steigt dabei über die Seile, die meine Fußknöchel mit den Seitenbalken verbinden. Oh das Publikum darf es mir gern glauben, ihre Anspannung ist nichts gegen meine. Sie sind es nicht, die leiden müssen für all den Schmerz, der gedroht hat, uns zu zerstören. Bitte, will ich sagen. Bitte, bitte, bitte.
Ich fühle die Seile, die er um meinen Brustkorb legt, und a t me ein wenig auf. Das kenne ich. Zwei Bahnen unter meiner Brust, Knoten in meinem Rücken. Zwei Bahnen über meiner Brust. Seine Finger fliegen, knoten, schlingen, zerren. Das Seil gräbt sich in meine Haut. Ich heiße den Schmerz willkommen, blende ihn aus, lasse zu, was mit mir geschieht. Ich bin der Ton, aus dem er seine Skulptur formt, ich bin die Leinwand für sein Bild. Ich bin sein. Sein zu schützen und sein zu lieben. Sein zu halten und sein zu zerstören. Zwischen meinen Beinen pocht es. Meine Nippel sind so hart, dass sie schmerzen.
Ist es Erregung, oder Angst? Ich weiß es nicht, es spielt keine Rolle. Es ist groß und mächtig und stark. Er hantiert mit den Seilen der Oberkörperfesselung in meinem Rücken. Ich schli e ße die
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