Amber Rain
an. Die Konturen der einfachen, funktionellen Möbel bleiben unscharf, als läge ein Grafikfilter darüber, der alle Ecken abschleift und verwischt. Ich glaube, dass ich noch nie in meinem Leben so erschöpft war. Ich schließe die Augen und höre Kleiderrascheln. Im nächsten A u genblick senkt sich die Matratze neben mir, und automatisch rollt mein Körper in seine Umarmung. Ich schmiege mich in seine Armbeuge, inhaliere tief seinen Duft. Auch er riecht ein wenig nach Schweiß, aber viel mehr nach Crispin. Mein liebster Geruch auf der Welt. Ich bin schon wieder halb eingedöst, da zieht mich seine Stimme zurück an die Oberfläche.
„Willst du duschen? Leider hat das Bad keine Wanne.“
„Muss ich?“ Wahrscheinlich sollte ich. Nach unserer Vorste l lung muss ich riechen wie ein ganzer Pantherkäfig, aber ich kann mich nicht dazu aufraffen, mich zu bewegen. Viel zu g e mütlich ist es in seiner Umarmung.
Ein leises Lachen grollt durch seine Brust. „Plötzlich so g e horsam, dass du fragst?“
„Nein, eigentlich nicht.“ Ich schiebe meinen Oberschenkel zwischen seine Beine und lege einen Arm auf seinen nackten Bauch. Er trägt noch eine Boxershort, aber als mein Unterarm den Stoff streift, kann ich seine Erektion darunter fühlen. Ein Teil von mir will nach dem Geschenk greifen, das dort auf mich wartet, will beweisen, dass wir wieder zusammen sind, ganz und gar. Der viel größere Teil von mir ist aber viel zu e r schöpft, um an Sex denken zu können. Je mehr ich zur Ruhe komme, desto lauter werden andere, unangenehme Gedanken in meinem Kopf. Gedanken, die ich hinter mir gelassen habe auf dem Weg zur Bühne, die nun aber wieder an die Oberfl ä che drängen, selbst durch den Nebel aus Mattheit und süßer Wiedersehensfreude, die uns einhüllt.
Ich setze mich auf und schäle mich aus meiner Jeans, dann schlage ich die Decke zurück, krieche darunter und kuschele mich zurück an Crispin.
„Crispin?“
„Hm?“ Auch er klingt schläfrig. Ob ihn unsere Show gena u so ausgelaugt hat wie mich? Ich habe es ihn nie gefragt, habe nie überlegt, wie er sich dabei fühlt, wenn er mich in einer de r art intimen Situation vorführt.
„Du hast nie nach meiner Vergangenheit oder meiner Krankheit gefragt, weil du alles wusstest, oder? Du“, ich zögere einen Augenblick, weil es immer noch schwer fällt, der Wah r heit ins Gesicht zu sehen. „Du konntest nur deshalb so gut zu mir sein, weil du mehr über mich wusstest, als jeder andere Mensch auf dieser Welt, noch bevor wir uns das erste Mal g e sehen haben.“
Er vergräbt seine Hand in meinen Nacken und drückt mein Gesicht an seine Brust. Ich kann die Anspannung in seinen Muskeln fühlen, das leichte Zittern in seinem Bizeps. „Ja. Ich habe mir deine Akte angesehen, nachdem du mich angerufen hast. Es war nur das eine Mal. Alles, was danach kam, Amber, ich konnte doch nicht ahnen, was für eine Wirkung du auf mich hast.“
„Du hast deine Stellung und deine Profession benutzt, um mich zu manipulieren und zu verführen.“ Ich schaffe es, die Wahrheit auszusprechen ohne einen Vorwurf in meiner Sti m me. Vielleicht ist es die Müdigkeit, die mir das ermöglicht, vie l leicht ist es aber auch die Tatsache, dass ich ihm verziehen h a be. Es ist nicht die Performance, die wir zusammen vorgeführt haben und es sind auch nicht die körperlichen Schmerzen, die er mir zugefügt hat, die diese Vergebung so wirklich machen, so deutlich. Es ist die Unsicherheit, die ich in ihm fühle, die mir mehr als alles andere zeigt, wie sehr ich ihn liebe.
„Ich habe mein Wissen benutzt, um dir zu helfen, und ich habe dich im Unklaren darüber gelassen. Ja, Amber, ich habe dich manipuliert und verführt. Ich habe einen Fehler gemacht.“
Mit sanftem Nachdruck löse ich meinen Kopf von seiner Brust, hebe ihm mein Gesicht entgegen. Mit den Lippen suche ich nach seinem Mund. Als unsere Münder sich berühren, geht ein Funken durch meinen Körper, bringt meine Haut zum Glühen und entfacht ein Feuer in meinem Bauch.
„Tu das nie wieder, Richard Crispin Holloway.“
„Nie mehr.“ Er schiebt seine Arme unter meine Schultern, dreht mich in seinem Griff, bis ich auf dem Rücken liege, sein ganzes Gewicht auf mir. Leichte Küsse auf meinem Hals, me i nem Kiefer, meinen Schläfen. Seine Stirn senkt sich auf meine und ich fühle, wie sein Atem über mein Gesicht fächelt.
„Ich will dich lieben, Amber. Bevor ich nicht wieder in dir war, kann ich nicht glauben, dass du wieder bei
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