Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
gab Stellen, wo die Felswand höhlenartig über uns hing; an anderen Stellen mußten wir einem bauchigen Vorsprung folgen und fühlten uns einem starken Schwindelgefühl ausgesetzt. Einige Male wurde mir mein Umhang vors Gesicht geweht, und ich fluchte, wobei mir einfiel, daß Eingeborene selten historische Orte in ihrer eigenen Nachbarschaft aufzusuchen pflegen. Allmählich erkannte ich hochachtend ihre Klugheit. Coral eilte mir voran, und ich mußte einen Schritt zulegen, um mitzuhalten. Vor ihr sah ich den ersten Treppenabsatz, der auf die erste Streckenkehre hindeutete. Ich hoffte, daß sie dort stehenbleiben und mir eröffnen würde, daß sie die Notwendigkeit dieses Ausflugs noch einmal überdacht habe. Doch das geschah nicht. Sie folgte der Biegung und setzte ihren Weg mit unverminderter Geschwindigkeit fort. Der Wind raubte mir einen Seufzer und trug ihn zu einer Märchenhöhle, die den Klagen der Beladenen Vorbehalten war.
Dennoch konnte ich nicht anders, als hinabzublicken, wenn sich die Gelegenheit dazu bot; und dabei dachte ich jedesmal an meinen Vater, der sich auf diesen Stufen den Weg nach oben erkämpft hatte.
Doch ich verspürte keinerlei Drang, es ihm nachzutun - zumindest nicht, bevor ich alle mehr auf List und Schlauheit bauenden Möglichkeiten ausgeschöpft hätte. Ich fragte mich allmählich, wie tief unterhalb des Palastes wir inzwischen wohl sein mochten...
Als wir schließlich zu dem Absatz gelangten, wo die Treppe breiter wurde, beschleunigte ich meine Schritte, um Coral einzuholen, damit wir nebeneinander hergehen konnten. In meiner Hast stieß ich mit der Ferse an die Wand und stolperte, als ich um die Kehre bog. Es war nicht schlimm. Es gelang mir, an den Fels zu greifen und mir Halt zu verschaffen, während ich nach vom taumelte und schwankte. Ich war jedoch erstaunt über den Umstand, daß Coral allein aufgrund des Klanges die Veränderung meiner Gangart wahrnahm, sowie auch über ihre Reaktion darauf. Sie warf sich blitzartig zurück und drehte den Körper zur Seite. Dabei berührten ihre Hände meinen Arm, und sie drückte mich zur Seite, gegen den Felsen.
»Schon gut«, sagte ich keuchend, die Luft heftig aus den Lungen stoßend. »Alles in Ordnung.«
Sie stand auf und wischte sich den Staub ab, während ich mich von dem Schreck erholte.
»Ich habe gehört...«, setzte sie an.
»Das habe ich gemerkt. Aber ich bin lediglich mit der Ferse an die Wand gestoßen. Das ist alles.«
»Ich wußte nicht, was los ist.«
»Alles bestens. Danke.«
Wir gingen nebeneinander die Treppe hinunter, doch irgend etwas hatte sich verändert. Ich hegte jetzt einen Verdacht, der mir nicht gefiel, den ich jedoch nicht verdrängen konnte. Jedenfalls noch nicht. Was ich im Sinn hatte, war allzu gefährlich, wenn es sich als zutreffend erweisen würde.
Also sagte ich statt dessen: »Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen...«
»Wie bitte?« fragte sie. »Ich habe nicht verstanden...«
»Ich sagte: Es ist ein schöner Tag, um mit einer schönen Dame spazierenzugehen.«
Sie errötete tatsächlich.
Dann fragte sie: »Welche Sprache war das... in der Ihr es beim erstenmal gesagt habt?«
»Englisch«, antwortete ich.
»Ich habe mich nie damit beschäftigt. Das habe ich Euch bereits gesagt, als wir über Alice sprachen.«
»Ich weiß. Es war nur eine Laune von mir«, entgegnete ich.
Der Strand, den wir inzwischen ein ganzes Stück näher gekommen waren, war tigerartig gestreift und stellenweise sonnenbeschienen. Ein Schaumstreifen schwappte von seiner Böschung zurück, während Vögel schrien und hinabstießen, um das von den Wellen Angespülte zu untersuchen. Segel blähten sich draußen auf dem offenen Meer, und im Südosten kräuselte sich ein kleiner Regenvorhang, weit draußen über der See. Der Wind hatte sein Lärmen eingestellt, obwohl er uns immer noch mit umhangzausender Kraft umtobte.
Wir setzten unseren Weg schweigend fort, bis wir unten angekommen waren. Darm verließen wir die Treppe und machten ein paar Schritte auf dem Sand.
»Der Hafen liegt in jener Richtung«, erklärte ich und deutete mit ausgestrecktem Arm nach rechts, nach Westen, »und dort drüben gibt es eine Kirche«, fügte ich hinzu und zeigte zu dem dunklen Gebäude, wo Caines Totenmesse abgehalten worden war und wohin die Seefahrer manchmal kamen, um für eine sichere Heimkehr zu beten.
Sie blickte in beide Richtungen und warf auch jeweils einen Blick nach hinten und nach oben.
»Es kommen noch ein
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