Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
zurückblickte, sah ich einen helleren Lichtschein. Die andere Richtung führte tiefer in den Berg hinein. An der Stellen, wo wir standen, spürten wir noch immer den widerhallenden Puls des Meeres.
»Die Höhlen reichen anscheinend sehr weit ins Innere«, stellte sie fest.
»Das tun sie in der Tat«, entgegnete ich. »Sie winden und überkreuzen und schlängeln sich durch den Berg. Ich möchte mich ohne Karte und Licht nicht allzuweit hineinwagen. Sie sind, soweit ich weiß, niemals vollständig erforscht und kartographiert worden.«
Sie sah sich um und bohrte den Blick in tiefschwarze Flecken innerhalb der Dunkelheit, wo verschiedene Seitentunnels in unseren Gang mündeten.
»Was glaubt Ihr, wie tief sie hineinreichen?« erkundigte sie sich.
»Keine Ahnung.«
»Bis unter den Palast?«
»Wahrscheinlich«, sagte ich, da mir eine Reihe von Seitengängen einfielen, an denen ich auf meinem Weg zum Muster vorbeigekommen war. »Es erscheint mir nicht ausgeschlossen, daß sie irgendwo in die großen Höhlen darunter führen.«
»Wie ist es dort unten?«
»Unter dem Palast? Nur dunkel und weiträumig. Uralt...«
»Ich möchte es gern sehen.«
»Warum denn, um alles in der Welt?«
»Das Muster ist dort unten. Es muß sehr farbenprächtig sein.«
»O ja, das ist es - leuchtend und wirr. Allerdings auch ziemlich einschüchternd.«
»Wie könnt Ihr das sagen, nachdem Ihr es durchwandelt habt?«
»Es zu durchwandeln und es zu mögen, sind zwei verschiedene Dinge.«
»Ich hätte gedacht, daß Ihr aufgrund Eurer Gabe, es zu durchwandeln, eine gewisse Zuneigung dazu empfändet, eine Art tiefgehende, widerhallende Verwandtschaft.«
Ich lachte, und das Echo meines Lachens erschallte um uns herum.
»Oh, während ich es durchwandelte, wußte ich, daß ich die Gabe hatte, es zu tun«, sagte ich. »Zuvor hatte ich diese allerdings nicht gespürt. Da hatte ich einfach Angst. Und gefallen hat es mir keine Sekunde lang.«
»Sonderbar.«
»Eigentlich nicht. Es ist mit dem Meer oder dem Nachthimmel vergleichbar. Es ist etwas Großartiges und Mächtiges und Schönes, und es ist einfach da. Es ist eine Naturgewalt, und man unterwirft sie dem eigenen Willen.«
Ihr Blick wanderte durch den Gang zurück, der ins Innere führte.
»Ich möchte es gern sehen«, sagte sie.
»Ich würde den Versuch, es von hier aus zu finden,
niemals wagen«, entgegnete ich. »Warum wollt Ihr es überhaupt sehen?«
»Nur um zu erfahren, wie ich auf so etwas reagiere.«
»Ihr seid sonderbar«, stellte ich fest.
»Werdet Ihr mich auf dem Rückweg dorthin führen? Werdet Ihr es mir zeigen?«
Dieser Ausflug verlief mitnichten so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Wenn sie wirklich diejenige war, für die ich sie hielt, dann begriff ich ihren Wunsch nicht. Ich war halbwegs geneigt, sie dorthin zu führen, um herauszufinden, was sie im Schilde führte. Doch ich handelte im Rahmen eines Systems der Prioritäten, und ich hatte das Gefühl, daß sie eine solche Priorität darstellte, hinsichtlich derer ich mir selbst ein Versprechen gegeben und einige umfangreiche Vorbereitungen getroffen hatte.
»Vielleicht«, murmelte ich.
»Bitte. Ich sähe es wirklich sehr gern.«
Sie meinte es offenbar ernst. Doch meine Vermutung schien sich immer mehr zu bestätigen. Es war genügend Zeit vergangen, damit dieser seltsame, den Körper wechselnde Geist, der meiner Spur in vielfältiger Erscheinungsform gefolgt war, einen neuen Gastkörper hatte finden und mich wieder hatte anpeilen können, um sich erneut bei mir einzuschmeicheln. Coral war die optimale Besetzung für diese Rolle, ihr Auftauchen war genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, ihre Sorge um mein körperliches Wohlergehen schien unerschütterlich, und ihre Reflexe waren schnell. Ich wäre gern noch eine Weile mit ihr zusammengeblieben, um ihr weitere Fragen zu stellen, aber ich wußte, daß sie mich einfach anlügen würde, in Ermangelung jeglichen Beweises dafür, daß ich mich in einer Notsituation befand. Und ich traute ihr nicht. Also machte ich mir den Zauberbann, den ich vorbereitet und seit meinem Aufbruch von Arborhaus mit mir herumgetragen hatte, erneut gegenwärtig; es war ein Bann, den ich entworfen hatte, um eine Wesenheit, die von jemandem Besitz ergriffen hatte, von ihrem Gastkörper zu trennen. Ich zögerte jedoch. Meine Gefühle in bezug auf sie waren zwiespältig. Selbst wenn sie eine solche Wesenheit sein sollte, war ich vielleicht willens, mich mit ihr auseinanderzusetzen, falls
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