Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
sondern erklärte, daß sie ihren Landsleuten ohnehin vor ihrer Abreise einen offiziellen Besuch abstatten müsse. Später machte sie jedoch einen Abstecher in einen Laden, in dem sie einige Blusen kaufte, wobei sie die Rechnung an die Botschaft und die Kleidung in den Palast schicken ließ.
»Mein Vater hat mir einen Einkaufsbummel versprochen«, erklärte sie. »Und ich weiß, daß er es vergessen wird. Wenn er hiervon erfährt, wird er wissen, daß ich es nicht vergessen habe.«
Wir erkundeten die Straßen der verschiedenen Gewerbetreibenden und machten bei einem Straßencafe Pause, um etwas zu trinken und die vorbeikommenden Fußgänger und Reiter zu beobachten. Ich hatte mich soeben ihr zugewandt, um eine Anekdote über einen der Reitersmänner zum besten zu geben, als ich den Beginn eines Trumpf-Kontaktes spürte. Ich wartete einige Sekunden lang, während das Gefühl noch stärker wurde, doch jenseits meiner Reichweite nahm keine Wesenheit Form an. Ich spürte Corals Hand auf meinem Arm.
»Was ist los?« fragte sie.
Ich griff im Geist aus und versuchte, bei der Kontaktaufnahme Hilfestellung zu leisten, doch die andere Seite schien daraufhin zurückzuweichen. Es war jedoch nicht dasselbe wie jene lauernde Überwachung, mit der mich die Maske in Floras Haus in San Francisco beobachtete hatte. Handelte es sich einfach um jemanden, den ich kannte, der mich zu erreichen versuchte, und der bei der Anpeilung Schwierigkeiten hatte? Vielleicht war er verletzt? Oder...
»Luke?« fragte ich, »bist du es?«
Doch es kam keine Antwort, und das Gefühl ließ allmählich nach. Schließlich war es vergangen.
»Ist mit Euch alles in Ordnung?« wollte Coral wissen.
»Ja, alles in Ordnung«, sagte ich. »Ich glaube jedenfalls. Jemand hat versuchte, Verbindung mit mir aufzunehmen, und es dann auf gegeben.«
»Verbindung? Ach, Ihr meint diese Trümpfe, die Ihr benutzt?«
»Ja.«
»Aber Ihr nanntet den Namen Luke...«, sinnierte sie. »In Eurer Familie heißt niemand ...«
»Möglicherweise kennt Ihr ihn als Rinaldo, Prinz von Kashfa«, sagte ich.
Sie lächelte.
»Rinny? Sicher kenne ich den. Er mochte es jedoch nicht, wenn wir ihn Rinny nannten...«
»Wirklich, Ihr kennt ihn? Persönlich, meine ich?«
»Ja«, antwortete sie. »Obwohl das lange zurückliegt. Kashfa liegt nicht weit von Begma entfernt. Manchmal unterhalten wir gute Beziehungen zueinander, manchmal weniger gute. Ihr wißt doch, wie das ist. Politik. Während meiner Kindheit gab es lange Zeitspannen, in denen wir recht freundschaftlich miteinander umgingen. Es fanden viele Staatsbesuche statt, in beiden Richtungen. Wir Kinder wurden oft miteinander zum Spielen geschickt.«
»Wie war er damals?«
»Oh, er war ein großer, tölpelhafter, rothaariger Junge. Machte sich gern wichtig - gab damit an, wie stark er sei und wie schnell er laufen könne. Ich erinnere mich, wie wütend er einmal auf mich war, weil ich ihn in einem Wettlauf geschlagen hatte.«
»Ihr habt Luke beim Wettrennen besiegt?«
»Ja. Ich bin eine ziemlich gute Läuferin.«
»Das müßt Ihr wohl sein.«
»Trotzdem hat er Nayda und mich mehrmals zum Segeln und auch auf lange Wanderungen mitgenommen. Wo ist er jetzt eigentlich?«
»Mit einer Cheshire-Katze an der Bar.«
»Wie bitte?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich würde sie gern hören. Seit jenem unseligen Ereignis mache ich mir Sorgen um ihn.«
Hm... Ich überlegte schnell, wie ich meine Erzählung verfassen könnte, ohne der Tochter des begmanischen Premierministers irgendwelche Staatsgeheimnisse zu verraten, wie zum Beispiel Lukes Verbindung zum Hof von Amber. Also begann ich: »Ich kenne ihn schon ziemlich lange. Vor kurzem zog er sich die Rache eines Zauberers zu, der ihn unter Drogen setzte und dafür sorgte, daß er in diese seltsame Bar verfrachtet wurde...«
So plapperte ich eine Zeitlang weiter, wobei ich eine Kurzfassung von Lewis Carrolls Geschichte lieferte. Ich mußte ihr versprechen, ihr eine der Thari-Ausgaben von Alice aus der Bücherei von Amber auszuleihen. Als ich schließlich zum Ende gekommen war, lachte sie.
»Warum holt Ihr ihn nicht zurück?« fragte sie dann.
Uff! Ich konnte ihr ja nicht gut erzählen, daß seine Fähigkeit der Schatten-Verlagerung so lange dagegen wirken würden, bis er wieder zur Vernunft kam. Also erklärte ich: »Das ist Teil des Zauberbanns; er bedient sich seiner eigenen magischen Fähigkeiten. Er kann erst wieder bewegt werden, wenn die Wirkung der Droge nachgelassen
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