Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
ich verstand es nicht, denn er schwand schnell dahin, und seine Worte verebbten mit ihm. Unterdessen flog etwas auf mich zu; es bestand kein Anlaß, es abzuwehren, doch ich konnte dem Reflex nicht widerstehen.
Zusammen mit zwei verwesenden Leichen und Jurts kleinem Finger lag ein Dutzend oder mehr Rosen verstreut am Boden um meine Füße, dort am Ende des Regenbogens.
-5-
W ährend wir am Strand entlang in Richtung Hafen spazierten, sprach Coral endlich:
»Geschieht so etwas in dieser Gegend häufiger?«
»Da solltet Ihr erst einmal an einem schlechten Tag vorbeikommen«, sagte ich.
»Wenn Ihr Euch überwinden könntet, mich aufzuklären, erführe ich gern, worum es sich bei dem Ganzen eigentlich handelte.«
»Ich schätze, ich schulde Euch eine Erklärung«, bestätigte ich», denn ich habe Euch vorhin in die Irre geführt, ob Ihr es gemerkt habt oder nicht.«
»Ist das jetzt Euer Ernst?«
»Jawohl.«
»Schießt los! Ich bin wirklich neugierig.«
»Es ist eine lange Geschichte...«, fing ich wieder mal an.
Sie blickte nach vorn zum Hafen, dann hinauf zu den Hochplateaus des Kolvir.
»...Und auch ein langer Marsch«, sagte sie.
»...Und Ihr seid die Tochter eines Premierministers eines Landes, mit dem wir zur Zeit etwas empfindliche Beziehungen haben.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Einige der Vorgänge, die sich zur Zeit abspielen, könnten aufschlußreiche Informationen über einige heikle Dinge enthalten.«
Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und blieb stehen. Dann sah sie mir tief in die Augen.
»Ich kann ein Geheimnis für mich behalten«,
ließ sie mich wissen. »Schließlich kennt Ihr auch das meine.«
Ich gratulierte mir dafür, daß ich offenbar endlich den Trick meiner Verwandten erlernt hatte, meinen Gesichtsausdruck zu beherrschen, selbst wenn ich vollkommen verwirrt war. Sie hatte tatsächlich vorhin in der Höhle - als ich sie angesprochen hatte, als ob sie die Wesenheit sei - etwas gesagt, das sich so anhörte, als hätte ich ihrer Ansicht nach ein sie betreffendes Geheimnis gelüftet.
Also bedachte ich sie mit einem schwachen Lächeln und nickte.
»Nun ja«, sagte ich.
»Ihr plant doch nicht etwa einen Überfall auf unser Land oder so etwas, wie?« fragte sie.
»Soweit ich weiß, nicht. Und ich halte es auch nicht für wahrscheinlich.«
»Also gut. Ihr könnt doch nur nach Eurem Wissen sprechen, oder nicht?«
»Stimmt«, pflichtete ich ihr bei.
»Dann möchte ich die Geschichte jetzt hören.«
»Nun denn.«
Während wir am Strand entlangspazierten und ich sprach, begleitet von dem dumpfen Klatschen der heranrollenden Wellen, konnte ich mich der Erinnerung an die ausschweifende Erzählung meines Vaters nicht erwehren. War es Verrat an der Familie, überlegte ich, sich in unruhigen Zeiten in autobiographischen Ergüssen zu ergehen, wenn der richtige Zuhörer auftauchte? Denn mir wurde bewußt, daß ich meinen Bericht über den Grad der Notwendigkeit hinaus ausschmückte. Und überhaupt, warum sollte ausgerechnet sie die richtige Zuhörerin sein?
Als wir die Hafengegend erreicht hatten, merkte ich, daß ich hungrig geworden war, und ich hatte immer noch viel Erzählenswertes auf Lager. Da es noch hellichter Tag war und die Gegend bestimmt sicherer war als damals, als ich ihr meinen nächtlichen Besuch abgestattet hatte, schlug ich den Weg zur Hafenstraße ein - die bei Tageslicht noch dreckiger war -, und nachdem ich erfahren hatte, daß Coral ebenfalls Hunger hatte, lenkte ich unsere Schritte hinten um die kleine Bucht herum, wo ich für einige Minuten stehenblieb, um ein vielmastiges Schiff mit goldenen Segeln zu beobachten, das die Mole umfuhr und in die Hafeneinfahrt einschwenkte. Dann folgten wir dem gewundenen Weg zum Westufer, und ich erkannte mühelos die Meereswind-Straße. Es war noch früh genug, als daß wir an einigen nüchternen Matrosen vorüberkamen. An einer Stelle näherte sich uns ein kräftig gebauter, schwarzbärtiger Mann mit einer interessanten Narbe auf der rechten Wange, doch ein kleinerer Mann rannte zu ihm hin, bevor er uns erreicht hatte, und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Beide wandten sich ab.
»He«, sagte ich. »Was will er?«
»Nichts«, sagte der Kleinere. »Er will nichts.«
Er musterte mich kurz und nickte. »Ich habe Euch vor kurzem nachts hier gesehen«, fügte er hinzu.
»Oh«, sagte ich, während die beiden ihren Weg zur nächsten Ecke fortsetzten, abbogen und verschwunden waren.
»Was hatte das zu bedeuten?« wollte Coral
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