Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
trennt. Doch ich habe ihn angewiesen, das zu unterlassen.«
»Das verstehe ich nicht. Warum soll er es nicht tun?«
»Weil Männer dabei sterben werden«, sagte sie.
»So ist das nun mal in einem Krieg. Manchmal hat man keine andere Wahl.«
»Aber wir haben sozusagen eine andere Wahl«, entgegnete sie, »es gibt nämlich eine Möglichkeit, die ich allerdings nicht verstehe. Und ich möchte sie verstehen, bevor ich einen Befehl erteile, der zahlreiche Tote zur Folge haben würde.«
»Welche Möglichkeit ist das?« fragte ich.
»Ich bin hierhergekommen, um einer Trumpfbotschaft von Julian zu entsprechen«, erklärte sie. »Er hatte kurz zuvor mit Dalt unter der Fahne des Waffenstillstand gesprochen. Dalt ließ ihn wissen, daß sein Bestreben, zumindest zu diesem Zeitpunkt, nicht die Zerstörung von Amber sei. Er wies jedoch darauf hin, daß er einen kostspieligen Angriff durchführen könnte, was Menschenleben und militärisches Gerät angeht. Er sagte, lieber würde er jedoch sich und uns diese Kosten ersparen. Was er wirklich von uns will, ist die Übergabe von zwei Gefangenen an ihn - Rinaldo und Jasra.«
»Hä?« entfuhr es mir. »Selbst wenn wir wollten, wir können ihm Luke nicht geben. Er ist nicht hier.«
»Das hat Julian ihm auch gesagt. Das überraschte ihn anscheinend sehr. Aus irgendeinem Grund hatte er angenommen, wir hielten Rinaldo in Gewahrsam.«
»Nim, wir sind nicht verpflichtet, den Mann aufzuklären. Soweit ich weiß, ist er seit Jahren ein äußerst lästiger Zeitgenosse. Ich könnte mir denken, daß Benedict die richtige Antwort für ihn parat hat.«
»Ich habe dich nicht kommen lassen, damit du mir einen Rat erteilst«, wies sie mich zurecht.
»Entschuldigung«, sagte ich. »Es gefällt mir nur überhaupt nicht, wenn jemand versucht, einen solchen tollkühnen Kraftakt zu unternehmen, und tatsächlich glaubt, er könnte damit Erfolg haben.«
»Er hat nicht die geringste Aussicht auf Erfolg«, bemerkte Vialle. »Doch wenn wir ihn jetzt umbringen, dann erfahren wir gar nichts. Ich möchte gern herausfinden, was hinter der Sache steckt.«
»Laß ihn von Benedict herbringen. Ich kenne Zaubersprüche, die ihn zum Reden bringen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Zu gefährlich«, widersprach sie. »Wenn erst einmal Kugeln fliegen, dann besteht die Gefahr, daß eine davon ihn trifft. Dann sind wir die Verlierer, auch wenn wir siegen.«
»Ich verstehe nicht, was du eigentlich von mir willst.«
»Er hat Julian gebeten, mit uns in Verbindung zu treten und seine Forderung zu übermitteln. Er hat versprochen, den Waffenstillstand so lange einzuhalten, bis er von uns eine offizielle Antwort erhalten hat. Julian sagt, er habe den Eindruck, daß Dalt sich auch mit einer der beiden verlangten Personen zufriedengäbe.«
»Ich möchte ihm auch Jasra nicht geben.«
»Ich auch nicht. Aber ich möchte sehr dringend erfahren, was sich eigentlich abspielt. Es hätte wenig Sinn, Jasra zu befreien und sie zu fragen, denn die Dinge haben sich erst in allerjüngster Zeit so entwickelt. Ich möchte wissen, ob du Mittel und Wege kennst, mit Rinaldo in Verbindung zu treten. Ich möchte mit ihm sprechen.«
»Nun... äh... ja«, sagte ich. »Ich habe einen Trumpf, mit dem ich ihn erreichen kann.«
»Benutz ihn!«
Ich holte ihn hervor. Ich betrachtete ihn. Ich verlagerte meinen Geist in diesen ganz bestimmten Bereich der Wachsamkeit und des Rufens. Das Bild veränderte sich, wurde lebendig...
Es herrschte Dämmerlicht, und Luke stand neben einem Lagerfeuer. Er war mit seinem grünen Drillichzeug bekleidet und trug dazu einen hellbraunen Umhang um die Schultern, der mit der Phönix-Nadel zusammengehalten war.
»Merle«, sagte er, »ich kann die Truppen ziemlich schnell mobilisieren. Wann möchtest du den Ort angreifen und...«
»Halt deine Männer in Bereitschaft«, unterbrach ich ihn. »Aber jetzt geht es um etwas anderes.«
»Worum denn?«
»Dalt steht vor den Toren, und Vialle möchte mit dir reden, bevor wir ihn auseinandernehmen.«
»Dalt? Dort? In Amber?«
»Ja, ja und ja. Er sagt, er würde seinen Spielplatz an einen anderen Ort verlegen, wenn er die beiden Dinge von uns bekommt, die er sich auf der ganzen Welt am meisten wünscht: dich und deine Mutter.«
»Das ist verrückt.«
»Ja, das finden wir auch. Möchtest du mit der Königin darüber reden?«
»Klar. Bring mir...« Er zögerte und sah mir in die Augen.
Ich lächelte.
Er streckte die Hand aus. Ich streckte ihm die meine entgegen und
Weitere Kostenlose Bücher