Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
obwohl ich glaube, daß du mit Merlin schon mal Bekanntschaft gemacht hast. Rinaldo hat ein Problem.« Es folgte eine ausgedehnte Stille. Dann sagte er: »Ja, das geht in Ordnung.« Und nach einer Weile: »Glaubst du das wirklich?« Und schließlich: »Gut, alles klar. Ich werd's ihnen sagen.«
Er reckte sich, seufzte und trat einige Schritt vom Muster zurück. Dann streckte er die Arme aus legte sie uns jeweils um die Schultern.
»Männer«, verkündete er, »ich habe so etwas wie eine Lösung. Aber das bedeutet, daß wir alle dieses Muster durchwandeln müssen, jeder aus einem anderen Grund.«
»Ich will kein Spielverderber sein«, sagte Luke. »Aber welchen Grund gibt es für mich?«
»Es wird dich sozusagen adoptieren«, erklärte Corwin, »und dich ebenso erhalten, wie es mich erhält. Doch dafür verlangt es einen Preis. Die Zeit rückt näher, da es rund um die Uhr bewacht werden muß.
Wir können uns gegenseitig mit einem Zauberbann belegen.«
»Hört sich nicht schlecht an«, sagte Luke. »Dieser Ort ist irgendwie friedlich. Und ich hatte eigentlich sowieso keine Lust, nach Kashfa zurückzukehren, nur um dort zu versuchen, mich um mein Amt zu drücken.«
»Also gut, ich werde die Führung übernehmen, und du hältst dich an meiner Schulter fest, falls wir uns mit irgendwelchen unangenehmen Aussendungen auseinanderzusetzen haben. Merlin, du bildest den Schluß und hältst die Verbindung zu Luke aufrecht, aus demselben Grund. Alles klar?«
»Alles klar«, sagte ich. »Los!«
Er ließ uns los und ging zu der Stelle, wo die Linie der Zeichnung begann. Wir folgten ihm, und Luke legte ihm die Hand auf die Schulter, als er den ersten Schritt darauf tat. Bald danach befanden wir uns alle auf dem Muster und fochten den altbekannten Kampf aus. Doch selbst als die Funken aufstoben, erschien mir diese Muster-Durchwandlung weniger schwierig als all jene in der Vergangenheit, vielleicht weil ein anderer den Weg anführte.
Bilder von Straßen, gesäumt von uralten Walnußbäumen, erfüllten mein Denken, während wir uns voranschleppten und den Weg durch den Ersten Schleier bahnten. Inzwischen stoben die Funken immer höher um uns herum auf, und ich spürte, wie die Kräfte des Musters mich umwirbelten und meinen Körper und meinen Geist durchdrangen. Ich erinnerte mich an meine Schulzeit, dachte an meine gewaltigen Anstrengungen im Sport zurück. Der Widerstand nahm immer mehr zu, und wir drückten dagegen. Das Bewegen der Füße wurde für mich sehr mühsam, und - irgendwie -wurde mir bewußt, daß die Anstrengung an sich wichtiger wurde als die Bewegung. Ich spürte, wie sich meine Haare aufstellten, als ein Strom durch meinen gesamten Körper jagte. Trotzdem hatte dies nichts von der wahnsinnigmachenden Art des Logrus an sich, die ich bei der Auseinandersetzung mit ihm erfahren hatte, und auch nicht jene feindselige Ausstrahlung, die ich beim Muster von Amber empfunden hatte. Es war beinahe so, als ob ich das Innere einer Seele durchwanderte, und zwar einer, die mir durchaus wohlgesinnt war. Ich fühlte beinahe so etwas wie eine Ermutigung, während ich um eine Kurve stolperte, einer Biegung folgte. Der Widerstand war unvermindert stark, die Funken schlugen hier ebenso hoch wie an der entsprechenden Stelle jedes anderen Musters, dennoch wußte ich, daß dieses Muster hier mich auf eine ganz besondere Weise behandelte. Wir setzten unseren Weg entlang der Linien fort. Wir bogen in diese und in jene Richtung ab, wir brannten... Das Durchdringen des Zweiten Schleiers war eine Zeitlupenübung in Ausdauer und Willenskraft. Danach gestaltete sich unsere Strecke weniger beschwerlich, und Bilder aus meinem ganzen Leben tauchten vor mir auf, um mich gleichzeitig zu ängstigen und zu trösten.
Weiter. Eins, zwei... Drei. Ich hatte das Gefühl, daß ich, wenn ich noch zehn Schritte schaffen würde, die Chance hätte, bis zum Ende durchzuhalten. Vier... Ich war triefendnaß vor Schweiß. Fünf. Der Widerstand war schrecklich. Ich mußte soviel Kraft wie für einen Hundertmeterlauf aufwenden, nur um einen Fuß vor den anderen zu setzen. Meine Lunge arbeitete wie ein Blasebalg. Sechs. Die Funken erreichten jetzt mein Gesicht, stoben vor meinen Augen vorbei, hüllten mich vollständig ein. Ich hatte das Gefühl, in eine unauslöschliche blaue Flamme verwandelt worden zu sein und mir auf irgendeine Weise einen Weg durch einen Marmorbrocken brennen zu müssen. Ich brannte und brannte, und der Gesteinsbrocken blieb
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