Amber-Zyklus 10 - Prinz des Chaos: der Titel
streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Wir waren auf der Fahrerseite herausgekommen. Ich bekam ihn zu fassen und drückte auf den Knopf. Natürlich war er nicht verschlossen. Die anderen berührten das Gefährt an verschiedenen Stellen und zogen sich auf die andere Seite hinüber. Ich öffnete die Tür, schob mich hinters Steuer und schloß die Tür. Inzwischen stiegen auch Luke und Corwin ein. Der Schlüssel steckte im Zündschloß, wie ich erwartet hatte.
Als alle im Wagen saßen, versuchte ich, den Motor anzulassen. Er sprang sofort an. Ich blickte über die glänzende Kühlerhaube hinaus ins Nichts. Ich schaltete die Scheinwerfer an, doch das half auch nichts.
»Was nun?« fragte Luke.
Ich legte den ersten Gang ein, löste die Handbremse und ließ die Kupplung kommen. Als ich Gas gab, hatte ich den Eindruck, daß sich die Räder drehten. Nach kurzer Zeit schaltete ich in den zweiten Gang und noch ein bißchen später in den dritten.
War da ein winziges Gefühl der Beschleunigung, oder war das nur die Kraft der Einbildung?
Ich gab noch mehr Gas. Die nebelige Aussicht schien sich etwas aufzuhellen, weit vor uns, obwohl ich den Verdacht hatte, das könnte einfach daran liegen, daß ich so gebannt in diese Richtung starrte. Dem Steuer war keine Bewegung anzumerken. Ich drückte das Gaspedal noch weiter durch.
Plötzlich streckte Luke die Hand zum Radio aus und schaltete es ein.
»... gefährliche Verkehrsbehinderungen durch Nebel und Straßenglätte«, ertönte die Stimme des Sprechers. »Fahren Sie also bitte sehr langsam.« Gleich darauf folgte Wynton Marsalis, der das Stück Caravan spielte.
Da ich das als persönliche Botschaft auffaßte, nahm ich den Fuß etwas vom Gas. Dabei hatte ich das eindeutige Gefühl einer leichten Beschleunigung, wie wenn wir über Eis rutschen würden.
Dann folgte das Gefühl, daß wir uns gleichmäßig vorwärts bewegten, und in der Feme glaubte ich eine deutliche Aufhellung zu sehen. Außerdem schien es mir, als hätte ich mehr Gewicht bekommen und würde tiefer in den Sitz sinken. Kurz darauf spürte ich noch deutlicher einen wirklichen Boden unter dem Wagen. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich das Steuer drehte. Ich beschloß, es nicht zu versuchen.
Die Reifen erzeugten jetzt ein Geräusch von noch mehr Griffigkeit. Verschwommene Umrisse zu beiden Seiten verstärkten das Gefühl von Bewegung, während wir an ihnen vorbeizogen. Weit vor uns war die Welt jetzt tatsächlich heller.
Ich wurde noch langsamer, da ich allmählich das Gefühl bekam, als ob wir auf einer echten Straße führen, mit sehr schlechter Sicht. Kurz darauf hatte ich den Eindruck, als ob die Scheinwerfer eine gewisse Wirkung zeigten, da sie, wenn sie auf die vorbeiziehenden Formen fielen, ihnen vorübergehend das Aussehen von Bäumen und Fahrbahnbegrenzungen, Büschen und Steinen gaben. Der Rückspiegel zeigte jedoch nach wie vor gar nichts.
»Wie in alten Zeiten«, sagte Luke. »Wenn man an einem ekelhaften Abend losgefahren ist, um Pizza zu holen.«
»Genau«, pflichtete ich bei.
»Ich hoffe, mein anderes Ich hat dafür gesorgt, daß in Kashfa jemand eine Pizzabude eröffnet hat. Es könnte wirklich nicht schaden, wenn es dort eine gäbe, findest du nicht?«
»Ich komme gern mal vorbei und probiere sie aus, wenn es so sein sollte.«
»Was glaubst du, wohin mich diese ganze Geschichte letztlich führen wird?«
»Das weiß ich nicht, Luke.«
»Ich meine, ich kann ja nicht ständig dein Blut trinken. Und was ist mit meinem anderen Ich?«
»Ich glaube, ich kann dir einen Job anbieten, der das Problem lösen wird«, warf Corwin ein. »Jedenfalls für eine Weile.«
Die Bäume waren jetzt eindeutig Bäume, der Nebel war echter Nebel - etwas wabernd. Feuchtigkeitsperlen bildeten sich auf der Windschutzscheibe.
»Was meinst du damit?« fragte Luke.
»Gleich.«
Die Nebelschwaden lichteten sich jetzt, und zwischen ihnen wurde eine echte Landschaft sichtbar. Jäh kam mir zu Bewußtsein, daß wir nicht auf einem richtigen Straßenbelag fuhren, sondern auf einer sehr glatten Fläche. Ich wurde noch langsamer, um meine Fahrweise diesem Umstand anzupassen.
Dann löste sich eine ausgedehnte Nebelschwade auf oder wurde weggetrieben, und im selben Augenblick erschien ein gewaltiger Baum vor uns. Außerdem schien ein Stück des Bodens zu glühen. Dieses Teilbild hatte etwas Vertrautes an sich...
»Dies ist der Ort deines Musters, nicht wahr?« fragte ich, während die vor uns liegende Strecke
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