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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Jude, und sie küßten sich. Ich hörte die Geräusche, die ihre Lippen machten, schlürf, schlabber, schmatz, als sie so richtig loslegten. Ich drehte mich zur Seite und lag mit einem Ohr tief im Kissen; auf das andere preßte ich meine Hand, damit ich nichts mehr hören konnte.
    Dabei war es gar nicht das Zuhören, Anne, das mich auf die Palme brachte, sondern mein Verlangen. Ich wollte auch mit Iz schmusen. Aber schließlich gehen sie und Jude schon dermaßen lange miteinander, daß ich wirklich nicht so eifersüchtig sein sollte, auch wenn ichs bin, verflixt. Die ganze Zeit bewegten sie sich, machten so Gluckslaute, und es schüttelte sie, als ob ihnen furchtbar kalt wäre. Aber das Bett mit uns dreien drin war furchtbar heiß, das also konnte es nicht sein. Wie gerne hätte ich das mit Iz gemacht, was Jude da mit ihr machte, auch wenn es andersrum war. Das geht mir auch im Kopf um: die beiden mögen eigentlich Jungs lieber, das merk ja sogar ich, auch wenn sie zur Zeit gerade keinen haben wollen. Aber ich mag Jungs überhaupt nicht! Mit mir ist trotzdem alles in Ordnung, auch wenn es alle anderen nicht zu glauben scheinen, egal, ob sie jetzt was wissen oder nicht von mir. Manchmal hab ich Angst, daß ich nie glücklich sein werde, wie es sich gehört.
    Mir kam es vor, als seien Stunden vergangen, bis Iz endlich von Jude herunterrollte. Sie atmeten schwer, als seien sie gerade viel und schnell gelaufen. Das hörte ich, obwohl ich mir große Mühe gab, es nicht zu tun. Eigentlich wollte ich ja schlafen, aber konnte nicht; schließlich fing ich zu weinen an. Wie oberblöd von mir! Es gab ja nun wirklich keinen Grund für mein Wäwäwä, eigentlich war ich ja nur ein wenig traurig. Ich hasse Tränen, Anne. Man sieht häßlich aus, wenn man flennt; es hilft einem nichts, und ich schäme mich auch noch dafür. Wenigstens bin ich nicht laut dabei, sondern zerdrücke immer nur ein paar Tränen. Es war einfach furchtbar. Am liebsten wäre ich ein paar Millionen Meilen weit weg gewesen, war ich aber nicht, also sollten die beiden wenigstens nicht mitkriegen, daß ich sie gehört habe, daher lag ich mucksmäuschenstill. Ich war froh, daß sie mich bestimmt nicht weinen hören konnten, aber Iz hat es, glaub ich, trotzdem mitgekriegt, weil sie mich am Rücken streichelte und tätschelte, bevor ich einschlief. Wie nett von ihr! Ich beruhigte mich und war weg.
    Heute morgen zogen sie dann ab. Jude ist anschaffen, Iz muß beten, und ich schreibe dir, bevor es ans Lernen geht. Mein Herz wird vor Freude hüpfen, wenn die Prüfungen vorbei sind. Noch im September ging ich so gerne zur Schule, wirklich gerne. Aber das ist vorbei, jetzt kann ich gar nicht schnell genug raus. Mit meinen Freundinnen hatte ich soviel Spaß; ich habe auch sie gern gemocht, aber sie haben mich verstoßen. Wenigstens habe ich neue Freundinnen gefunden, aber die könnten ja eines Tages auch weg sein, wer weiß. Schau nur, was Weez und Jude zugestoßen ist, dabei kannten sie sich ebenso lange wie ich Lori. Man weiß nicht, wer ein Freund ist, Anne, bevor man nicht ganz anders ist als er oder sie.
    Ich begleitete Iz und Jude noch zur 125. Die Grünärsche waren damit beschäftigt, auf dem Mittelstreifen eine Mauer aus Betonsteinen aufzuschichten mit Lücken drin für Autos und Busse. Soll wohl helfen, die Leute entweder drüben oder herüben zu halten. Als ich Iz und Jude verließ und bevor ich heimging, um dir zu schreiben und anschließend zu lernen, ging ich ganz in Gedanken den Broadway hinunter und sah manchmal zum Himmel auf. Da hab ich, Anne, da hab ich wirklich und wahrhaftig eine Engelin gesehen, oben, in der Luft, bei den Wolken, gerade nicht hoch genug, um sie noch gut sehen zu können. Da auf der Straße sonst niemand eine Engelin dort droben zu sehen schien, habe ich beschlossen, daß sie mein ganz persönlicher Engel gewesen ist. Sie war weiß und golden und hatte Flügel wie ein Vogel. Obwohl sie so weit entfernt war, habe ich doch genau sehen können, daß sie mir zulächelte. Vielleicht wars ja doch bloß eine Wolke, aber nein, ne Wolke ist nicht so angezogen; sie sah aus wie ein Engel aus einem Buch, etwa bei William Blake. Zuerst dachte ich mir, eine Engelin zu sehen wäre ein gutes Zeichen, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr Furcht überkommt mich. Vielleicht stimmt ja mein neuer Spitzname von der Verrückten Lola. Mama oder Boob habe ich nicht erzählt, daß ich einen Engel gesehen habe; Pappi wird es auch nicht erfahren,

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