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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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vertreten. Mama hatte Herrn Mossbacher angerufen, um ihm zu sagen, daß Pappi nicht mehr kommen würde, weil er tot sei. Er habe geklungen, als hätte er am liebsten losgebrüllt, habe es aber dann doch nich getan, erzählte Mama. Am Samstag hätte Pappi eigentlich sein Geld kriegen sollen, weil der Zahltag wegen Problemen mit dem Bargeldfluß oder so was um zwei Tage verlegt worden war. Das hatte er jedenfalls Mama erzählt, und Mama sagte Mossbacher, wir bräuchten das Geld jetzt. Er würde es per Expreß schicken, sagte er und legte auf.
    Wir fuhren in sechs Wagen, dicht hintereinander, und brauchten eineinhalb Stunden, weil uns Grünärsche kontrollierten, die Detektoren über die Wagen führten, bevor wir passieren konnten. Die Fenster der Autos waren verspiegelt. So konnten wir schauen, ohne gesehen zu werden. In Washington Heights und Inwood sahs aus wie erwartet: alles abgefackelt und gesprengt, außer in der Gegend um das City College und das Columbia Presbyterian Krankenhaus. Die sind rundum mit Stacheldraht und Soldaten gesichert. Alle Geschäfte sind verschwunden, von den Schnapsläden und Kneipen abgesehen. Autos sind auch keine unterwegs, bloß ein paar Busse. Alles Serbien da oben; die Leute laufen mit hängenden Schultern herum und scheinen die Schnauze voll zu haben. Die Armee hat überall ihre Panzer stehen, obwohl die offiziell gar nicht in die Stadt dürfen, und wo man hinschaut, Tausende von Soldaten, voll bewaffnet und die Finger am Abzug. In der Mitte der Dyckman Street in Inwood bauen sie auch eine Mauer.
    Als wir bronxten, fuhren wir via Autobahn nach Woodlawn. Beim Mausoleum angekommen, setzten wir uns inne kleine Kapelle, und der Typ von der Liga für Ethische Kultur quetschte sein Gesülze raus von wegen das Gute herüberbringen. Ein paar von Pappis Freunden erzählten allen, die es hören wollten, welch ein Glück es gewesen sei, ihn gekannt zu haben. Glück haben sie allerdings, weil sie noch leben. Wir hielten uns nur an den Händen, ich und Boob und Mama. Wir weinten nicht, Mama dann doch, ganz zum Schluß. Ich war noch nie bei einer Beerdigung gewesen. War ganz schön abgefahren, Anne. Ich hoffte, daß es endlich vorbei sein möge, aber nicht, weil es mir so nahe ging, sondern weil es ab der Hälfte so hirntot abging, wie sie da alle heiße Luft abließen und logen. Es wäre ihnen ja allen möglich gewesen, etwas mehr für ihn zu tun, solange er noch unter uns war, also bitte! Vielleicht haben sie ihm ja geholfen, vielleicht bin ich unfair, aber scheiß drauf. Statt daß ich an Pappi dachte, kreiste all mein Denken um Herrn Mossbacher und wie sehr ich ihn haßte. Wäre er nich so fies zu Pappi gewesen, wäre das alles nich passiert, das weiß ich. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und weit weggelaufen und hätte sie alleine da sitzen lassen; wie mir das alles aufn Zeiger ging! Ach, Anne, wenn es eine Hölle gibt, wie sie in der Werbung für die Christensender immer behaupten, dann rase ich volle Kanne drauf zu.
    Seit Pappi tot ist, telefoniert Mama jeden Tag mit Chrissie. Mama gestand mir heute, daß sie immer über uns reden. Boob war ja schon zuvor so unglücklich hier, und seit Mama sagt, alles stehe jetzt noch viel mehr auf wackligen Beinen, ist es ganz aus mit ihr. Dann fragte mich Mama: »Liebes, du bist doch von der harten Sorte, oder? Du glaubst doch, daß wir hier irgendwie durchkommen?«
    »Is meine Rede.«
    »Genau, Engelchen, du kannst es hier schaffen, ich auch, glaube ich, aber die arme, kleine Boobster, die war doch schon vorher wie eine Feder im Wind und jetzt erst.« Boob is ne Speckbacke, also Feder fällt mir zu der wirklich nich ein, aber ich verstand, was sie meinte.
    »Was glaubst du, wird es ihr besser gehen, wenn sie eine Weile bei Tante Chrissie wohnt, falls wir das geregelt kriegen?«
    »Die issn Chrissie-Klon in Nullkommanix.«
    »Also, mein Schnuckel, was für eine schreckliche Vorstellung, aber nahe dran an der Wahrheit, leider. Aber denk mal dran, wie es hier zugeht: überall Soldaten, Leute, die auf uns schießen, kein Geld. Bei Chrissie wäre sie einfach besser aufgehoben.«
    »Wenn die Geld haben, warum schiebn sie nich einfach was rüber?«
    »Die Hilfe bestünde ja darin, daß sie Boob eine sicherere Umgebung bieten könnten. Sieh das doch ein.«
    »Sicherer vielleicht, aber nich besser.«
    »Jedenfalls hat Chrissie mich gebeten, dich zu fragen, ob du auch zu ihnen kommen möchtest, um mit ihnen im Bunker zu leben.«
    »Nada, keine Chance.«
    »Das

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