Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
Jude und Iz auch nicht, bloß du. Es nervt mich, daran zu denken. Ich schreib dir, wenn ich Zeit habe, Anne.
     

26. Mai
    Nurn paar Zeilen, bevors mich zerreißt! Die Wisegarver hat mir mitgeteilt, ich müsse die Prüfung wiederholen, die ich gestern bei ihr hatte. Erst dann will sie mir ne Note geben! Sie sagte, offensichtlich hätte ich nix gelernt und wisse hinten und vorne nix! Sie wolle meine Note offenlassen und mir am Donnerstag noch ne Chance geben. Dabei hab ich gelernt, wirklich, aber irgendwas macht mich rasend und dann hängt was bei mir im Kopf fest. Keine Ahnung, wie ich im zweiten Anlauf abschneiden werde, aber mal sehn. Normalerweise bin ich in ihrem Fach die Klassenbeste, wie wirds da erst in den anderen Fächern aussehn? Genug mit den Zähnen geknirscht, zurück zu den Büchern.
     

28. Mai
    Was stimmt bloß nicht bei mir, Anne. In der Matheabschlußprüfung nur ne 4, ne 3 in Geschichte. Heute durfte ich bei der Wisegarver nochmal ran, und ich schätze, ich war besser als beim ersten Versuch, aber da hab ich auch gemeint, alles sei super. Morgen ist jedenfalls die letzte Prüfung, Gott seis getrommelt und gepfiffen. Am Montag gibts die Noten und dann ist Schluß bis September, keinen Gedanke an die Schule werde ich inzwischen verschwenden.
    Die Roten sind auch wieder da, was mich doppelt unleidlich macht, aber was kann ich dagegen tun? Was soll bloß aus mir werden? Ich hasse das alles, Anne, ehrlich.
     

29. Mai
    Freitag. Letzter echter Schultag, letzte Prüfung in Soziologie. Fertig. Bin froh. Hier kommt das Wochenende, und ich bin mehr als bereit, morgen Iz und Jude zu treffen. Wir werden irgendwo irgendwas anstellen, weiß noch nix Näheres. Bunkern muß aber sein, also aufgepaßt, ihr Typen! Pappi hängt inner Küche und geht unsern Haushaltsplan und die Rechnungen durch, will wohl nen Weg ausknobeln, wies weitergeht, wenn er ohne Job dasteht. Is aber noch nich gleich soweit, weil Herr Mossbacher im gestern gesagt hat, daß er noch keinen passenden Ersatz gefunden hat und Pappi deshalb noch ne Woche schuften muß, bevor er frei ist. Mossbacher will ihm das Anderthalbfache zahlen für jede Stunde, die er mehr als seine fünfzig schuftet. Das is schon was, wenn man bedenkt, daß er durch das neue Geld bloß noch vierzig Dollar die Woche heimbringt. Mama und Boob sind schon weggetreten, obwohl es erst neun ist.
    Pappi ist verdächtig ruhig; ich seh mal besser nach. Komm gleich wieder.
     

2. Juni
    Bin doch nich gleich wiedergekommen, wie ich neulich nacht eigentlich wollte. Hab dir auch nicht geschrieben wegen allem, was passiert ist. Vergib mir, Anne.
    Als ich inne Küche bin, sah ich Pappi aufm Stuhl am Küchentisch, den Kopf auf dem Arm, als ob er schlafen würde. Eigentlich kracht er ja nie so zusammen, aber so wie ihn Herr Mossbacher bearbeitet, dachte ich mir, hats ihn jetz doch mal erwischt, und er ist weggepennt. Noch wußte ich ja nicht, daß er verschieden ist. Ich rüttelte ihn an der Schulter, aber er blieb ganz steif sitzen.
    »Pappi?« Ich rüttelte ihn stärker, er aber rührte sich nicht, sondern blieb so steif. Das ging mir aufn Keks, also berührte ich ihn am Kopf, der zur Seite fiel. Da kapierte ich, wies um ihn stand, offene Augen, die nicht mehr sehen konnten. Mir war sofort klar, daß er tot war, Anne, obwohl ichs natürlich nich mit Sicherheit sagen konnte. Weiß nich, woher und warum ichs wußte, aber ich wußte es eben. Hab immer gedacht, wenn man nen Toten findet, dann schreit man los, war aber nich. Ich fetzte übern Flur in Mamas Zimmer, weckte sie auf und versuchte dabei, Boob nicht zu stören.
    »Engel, was ist los? Hast du schlecht geträumt?«
    »Nein, Mama, komm bitte mit!« flüsterte ich.
    »Ich verstehe nicht, was das soll.«
    »Komm bitte in die Küche, Mama, schweig und komm mit!«
    »Du bist ja ganz aufgelöst, Liebes. Was ist denn passiert?«
    »Pappi!«
    Mama stand endlich auf, zog sich was über und stolperte ungeschickt durch den dunklen Flur in die Küche. Als sie Pappi so sah, kniete sie neben ihm nieder und fühlte ihm den Puls am Hals und an den Gelenken. Aber da war nix mehr zu fühlen. Ich fragte schließlich »Mama?«, als sie auch ganz versteinert wirkte und nix von sich gab. »Liebes, bitte ruf einen Krankenwagen, schnell.« Sie plumpste neben ihm auf nen Stuhl. Ich telefonierte.
    Erst kam die Polizei, dann Notarzt, Sanis und Zivile, die ne Stunde brauchten, um herzufinden. Inzwischen war Pappi kalt wien Fisch. Die Ärzte drückten ihn hier,

Weitere Kostenlose Bücher